1886 - Nach der Apokalypse
auch sonst keine Möglichkeit zur Verhandlung. Die Dscherro treiben weiterhin Menschen wie Vieh zusammen und vermehren die Zahl der Geiseln."
Bré schüttelte erschüttert den Kopf. „Ich wünschte, ich könnte etwas tun, Atlan", sagte sie. „Aber bei den Dscherro kann ich euch nicht helfen. Sie sind absolut aggressiv und unzugänglich. Ich glaube nicht, daß meine Fähigkeiten dafür ausreichen würden, auch nur einen von ihnen zu beruhigen."
„Obwohl dir das bei Jafko doch ausgezeichnet gelungen war", lächelte der Arkonide.
„Erinnere mich nur nicht daran!" bat sie verlegen. „Die Peinlichkeit unserer ersten Begegnung werde ich nie vergessen."
„Ich auch nicht", gab er zurück. „Aber an Peinlichkeit kann ich mich nicht erinnern."
Sie funkelte ihn mit dem berüchtigten ironischen Grinsen an.
„Trotzdem", wurde sie schnell wieder ernst, )ich habe mehrere Aufzeichnungen gemacht und mich mit den Dscherro beschäftigt. Ich sehe keine Möglichkeit, etwas zu unternehmen. Der Taka wird nur eine Autorität wie deine oder Cistolo Khans anerkennen, wobei er hier auf alle Fälle der bessere Ansprechpartner ist."
Atlan quittierte diese Bemerkung erneut mit einem Hochziehen der rechten Augenbraue, äußerte sich jedoch nicht.
„Freut mich, daß du das auch so siehst", versicherte Bré Tsinga. „Das erspart mir Erklärungen.
Jedenfalls gibt es keinerlei Grundlage für eine Verhandlung. Die Dscherro sind zum Rauben gekommen, nebenbei haben sie ein höllisches Vergnügen am Kämpfen und Morden. So sind sie, ohne Einschränkungen. Da kann ich nichts tun. Man kann ihnen nur beikommen, indem man entweder stärker oder listenreicher ist. Und ihnen auf alle Fälle deutlich die Zähne zeigt. Weder Diplomatie noch einfühlsames Verständnis ist hier angesagt."
„Aber du glaubst nicht, daß sie ein festes Lager aufschlagen werden?" forschte er nach.
„Nein, darauf deutet nichts hin. Wenn sie alles haben, was sie wollen, werden sie abziehen und das nächste Opfer heimsuchen."
Der Arkonide legte die Fingerspitzen aneinander und stützte das Kinn leicht darauf.
„Ganz ehrlich, Bre", sagte er ernst, „glaubst du, daß sie die Geiseln lebend freilassen werden, wenn wir alle Bedingungen erfüllt haben?"
„Wenn ich das sicher wüßte, könnte ich euch alle sehr beruhigen oder auch entmutigen", antwortete die Psychologin. „Aber das liegt allein bei Taka Fellokk. Ich denke, daß er das einfach im letzten Moment entscheidet - wie er gerade aufgelegt ist. Seinen Dscherro ist es völlig gleichgültig. Ihnen bedeuten die Leben anderer überhaupt nichts, sie besitzen dafür keinerlei moralisches Empfinden. Ich glaube, daß sie nicht einmal Angst um ihr eigenes Leben haben."
„Möglicherweise aber besitzen sie so etwas wie ein räuberisches Ehrgefühl", meinte Atlan.
„Vergleiche die Dscherro nicht mit irgendeiner gewalttätigen terranischen Vergangenheit", warnte Bré.
„Es gibt keinerlei Parallelen zwischen ihnen und uns. Mitleid, Liebe, Achtung, die gesamte Gefühlspalette ist ein unübersetzbarer Begriff für sie. Sie werden durch etwas anderes - uns Unbekanntes - zusammengehalten und daran gehindert, einander ständig zu töten. So viel kann ich euch mit hundertprozentiger Sicherheit sagen."
„Wir müssen demnach in erster Linie zusehen, lebende Gefangene zu machen und sie zu verhören.
Sicher bringen auch die Untersuchungen der Toten etwas."
„Vielleicht", dehnte Bré zögernd.
„Du bist nicht überzeugt?"
„Ich würd’s gern hoffen."
„Dann gibt es also nur einen Weg", murmelte der Arkonide.
Die Kosmopsychologin nickte. „Keine Wahl", sagte sie ruhig. „Wir -müssen auf alles eingehen, ohne zu wissen, was daraus wird."
7.
Terrania City, 14. Oktober „Harro, komm doch endlich hier herüber!" rief Mimi und winkte heftig mit ihren dünnen Armen.
Als entfernt eine Granate eingeschlagen war, hatte die Druckwelle der Explosion sie wie eine Puppe hochgehoben und weggeschleudert. Dicht neben einem scharfkantigen Bruchstück war sie zu Boden geprallt und ein paar Sekunden benommen liegengeblieben; wie durch ein Wunder unverletzt. Dann hörte sie das, nächste gewaltige Donnern und war mit einem Satz wieder auf den Beinen.
Sie hatte keine Zeit mehr, nach Harro zu schauen, wollte nur von den um sie herumpfeifenden und zischenden Strahlen und Geschossen weg. Auf allen vieren krabbelte sie an den Trümmern entlang zu einem Loch im Boden, das durch eine Explosion freigelegt worden war. Keuchend
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