1886 - Nach der Apokalypse
wohl noch würdig bist, ihn zu tragen. Sonst hätten sie ihn dir als erstes abgenommen, denkst du nicht? Dein Verhalten ist unlogisch."
Genhered machte eine abwehrende Handbewegung. „Du verstehst das nicht."
„Aber ich würde es gern verstehen lernen."
Der Nonggo legte den Kopf schief und schwieg.
*
Bré steuerte niedergeschlagen die Gondel zu Tor 1 zurück. In diesem Moment erhielt sie einen Anruf über das Multifunktionsarmband an ihrem Handgelenk.
„Atlan!" rief sie überrascht.
„Ich hoffe, ich störe dich nicht", begrüßte sie der Arkonide. „Ich funke dich über deine kleine Außenstation an, anders geht das ja nicht."
Bré warf einen Blick auf Genhered, der in seine übliche apathische Starre verfallen war. „Gibt es etwas Neues?"
„Allerdings. Ich habe mit Perry gesprochen, und er hat mir eine Menge Informationen gegeben. Und da Cistolo Khan ohnehin der Ansicht ist, daß ich ihm nur im Weg bin, dachte ich mir, die Aufzeichnungen mit dir zusammen durchzugehen."
Sie mußte lächeln. Sie kannte ihn viel zu gut, um ihn nicht zu durchschauen. Er war gerissen, aber sie war schlau. Sie stand ihm in nichts nach.
„Charmant wie stets", sagte sie freundlich.
Er lachte. „Ich dachte, du würdest dich freuen."
„Über die Informationen? Allemal. Nur her damit, so schnell wie möglich."
„Und über mich nicht?" fragte er in gespielter Enttäuschung.
„Ich kenne doch dein zartes Taktgefühl", gab sie prompt zurück. „Du bringst mir nur wieder alles durcheinander."
Eine knappe Stunde später war der Arkonide eingetroffen. Bré sah seine rötlichen Augen aufleuchten, als er sie sah, und das tat ihr gut. Sie konnte das vertraute Band zwischen ihnen spüren; ihre ausgehungerten empathischen Sinne saugten geradezu alles auf. Sie brauchte nicht mehr zu befürchten, daß sie ihre Fähigkeiten verloren hatte.
„Du hast Glück, daß diese Blechdose hier noch ein zweites Zimmer für einen Gast hat", sagte sie und zwinkerte schelmisch.
Der Arkonide sah sich um. „Und wo ist Genhered?"
„Im Bauwerk. Er weigert sich hierherzukommen. Deshalb ist das Zimmer frei. Im Moment ist er irgendwo unterwegs. Ich muß ihm immer wieder Pausen gewähren, denn es strengt ihn alles sehr an."
Bré führte Atlan in ihr Zimmer und bot ihm den einzigen Sessel vor dem Terminal an. Sie selbst ließ sich auf dem Bett nieder.
„Tja, damit sind wir ganz allein", bemerkte sie fast boshaft. „Das ist für meinen Ruf bestimmt nicht förderlich."
Atlan zog die Augenbrauen hoch. „Und an meinen denkst du nicht?" versetzte er.
„Ich wußte gar nicht, daß du einen Ruf hast", konterte sie und lachte über seinen Gesichtsausdruck.
„Ich sehe, daß du deinen Biß nicht verloren hast", bemerkte der Arkonide zufrieden. „Einige Zeit machte ich mir Sorgen."
„Das ist nett, aber unnötig. Auch Paola Daschmagan wird eines Tages erkennen, daß die kleine Bré mehr kann als nur hübsch aussehen", sagte die Sabinnerin selbstbewußt. „Manches braucht eben seine Zeit.
Aber reden wir über wichtige Dinge: Berichte mir von den Dscherro. Ich habe zwar die Nachrichten gesehen, aber vielleicht weißt du inzwischen mehr."
„Leider nichts Bedeutendes."
Cistolo Khans Leute waren rund um die Uhr im Einsatz; überall wurden Einwohner aus der Stadt gebracht, die sich bisher in Kellern, Rohrbahnschächten und sonstigen Schlupflöchern versteckt gehalten hatten.
Obwohl es anfangs beinahe so ausgesehen hatte, daß es nur noch wenige Überlebende geben würde, waren es immer noch Millionen. Sie versteckten oder verbarrikadierten sich in Gebäuden und wehrten sich gegen die angreifenden Dscherro. Die Hauptschlacht war geschlagen, dies waren nur noch Scharmützel, die jedoch mit der gewohnten Aggressivität geführt wurden.
Wenn die Verteidigung zusammenbrach, wurden die Häuser gestürmt und die Menschen zusammengetrieben. Jeder Fluchtversuch wurde kompromißlos mit dem Tod bestraft. Nur wenn rechtzeitig LFT-Truppen eintrafen und die Bewachung nicht allzu groß war, gab es gelegentlich erfolgreiche Befreiungsversuche.
Manchmal trafen die Retter sogar auf Überlebende, die müde zwischen den Trümmern herumstolperten, völlig verwirrt und unter Schock. Sie wehrten sich richtiggehend gegen Rettungsversuche und mußten unter Protest fortgebracht werden.
All das waren wenige Erfolge und kaum ein Anlaß zur Freude. Terrania gehörte den Dscherro, daran konnte kein Zweifel bestehen.
„Fellokk spricht nicht mit uns, und wir haben
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