1886 - Nach der Apokalypse
hinbringen, wo es eine richtige Mahlzeit und ein warmes Bett gibt", schlug er vor.
„Wer würde mich schon wollen." Mimi nickte in Richtung der vielen Toten um sie herum. „Ich bin doch bestimmt nicht das einzige ... Waisenkind."
Sie sprach dieses Wort zum ersten Mal aus und haßte es schon jetzt. Trotzdem war es so, davor durfte sie sich nicht verstecken. Mama und Papa hatten sie verlassen. Es würde nie mehr sein wie früher.
„Mimi, es gibt noch viele Plätze für Waisenkinder, glaub mir", beschwichtigte Harro sanft.
„Plätze?" fuhr sie auf. „Was für Plätze? Ein Heim? Eine neue Familie? Ich gehöre doch nirgends mehr hin, also warum sollte ich das wollen?"
„Warum solltest du niemanden finden, der für dich sorgen will und dich liebhat?" erwiderte Harro.
„Glaubst du nicht, daß es auch Eltern gibt, die ihre Kinder verloren haben?"
„Aber ich bin nicht ihr Kind, und sie sind nicht Mama und Papa!" rief Mimi. „Ich kann nie wieder Eltern haben, das ist doch nicht dasselbe!"
Harro kratzte sich den Nacken, als dächte er nach. „Na ja, irgendwo hast du schon recht", sagte er dann. „Dasselbe kann es natürlich nie mehr sein. Aber du kannst noch nicht allein für dich sorgen, Mimi, das siehst du ein?"
Mimi zögerte und nickte dann. „Ich bin noch zu klein", stellte sie bitter fest. „Ich darf ja auch noch gar nichts ohne Einwilligung der Erwachsenen tun."
„Nun, gar nichts würde ich nicht sagen", lächelte Harro. „Aber es gibt Einschränkungen, das ist wahr.
Was nicht unbedingt ein Segen sein muß, wenn es sie ab einem bestimmten Alter nicht mehr gibt ... Jedenfalls, du solltest nicht hier allein bleiben."
„Ach ... mir fällt schon was ein."
„Aber du willst doch nicht, daß ich Schwierigkeiten bekomme, oder?"
Sie schaute ihn an. „Wieso?"
„Na, weil ich doch Meldung machen muß. Über jeden Lebenden, den ich gesehen habe, damit wir wissen, wie viele es noch gibt. Man würde mich ganz schön schimpfen, wenn ich dich einfach hier sitzen lassen würde."
„Ach ja, weil ich ein Kind bin ..."
„Nein, das gilt für jeden Überlebenden, Mimi. Meine Aufgabe ist es, Leben zu retten, und nicht, alle sich selbst zu überlassen. Sonst wäre ich doch nicht hier. Wir bringen euch zu Sammelpunkten und von dort weiter."
„Und dann werde ich einfach irgendwohin gebracht?" fragte Mimi ängstlich.
„Selbstverständlich nicht. Du wirst zuerst wie alle anderen versorgt, und was dann weiter mit dir geschieht, wird nicht einfach bestimmt. Du mußt zu niemandem, den du nicht magst. An diesen Sammelpunkten gibt es Leute, die dir genau darüber Auskunft geben können und alles mit dir besprechen."
Harro lächelte. „Nun, wie ist es? Kommst du jetzt mit? Vorausgesetzt, du fühlst dich nicht zu schwach dazu."
Mimi schüttelte den Kopf. „Ich bin ganz stark und kann gut laufen. Aber du hast doch bestimmt einen Haufen andere Sachen zu tun."
„Ich wüßte nicht, weswegen du nicht dabeisein könntest."
„Du siehst aber aus wie ein Krieger." Was sie in Wahrheit damit ausdrückte, war mangelndes Vertrauen.
Ihre Eltern hatten ihr versprochen, sie zu beschützen, und waren getötet worden.
Sie mochte Harro, und sie vertraute ihm auch - bis zu einem gewissen Punkt. Sie wußte nicht, ob er sein Versprechen, sie zu beschützen, überhaupt halten konnte, wenn es schon ihren Eltern nicht gelungen war.
Sicher, er war bewaffnet, aber das hatte sie auch bei anderen Leuten gesehen, die jetzt tot zwischen den Trümmern lagen.
„Das dient nur zum Schutz, Mimi. Wie ich dir vorhin bereits erklärt habe, bin ich nicht hier, um zu kämpfen, sondern Überlebende zu finden und Transporte für die Verletzten und Toten zu organisieren."
Sie schaute ihn nachdenklich an. „Du meinst, du würdest mich auch jetzt nicht dazu zwingen?"
Es hörte sich alles recht vernünftig an. Vielleicht hatte sie später immer noch die Möglichkeit, sich anders zu entscheiden.
Harro lächelte. „Wozu? Du bist ein. vernünftiges Mädchen. Aber denk dran: Das nächstemal fallen die Dscherro vielleicht nicht mehr auf deinen Trick herein. Zu zweit kann man sich auf alle Fälle besser durchschlagen als allein. Außerdem bin ich von der LFT Ich bin bestimmt nicht schlecht im Versteckspielen.
Ich habe dich hier schneller rausgebracht, als du dein nächstes Essen vertilgen kannst."
Mimi seufzte und stand auf. „Du hast recht. Es ist besser, wenn wir uns zusammentun. Ich komme mit, aber mecker dann bloß nicht rum, daß ich dir
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