1886 - Nach der Apokalypse
Einsatz."
„Entschuldigung. Aber ..."
„Nun?"
„Werden sie uns ... anknabbern oder so was?"
„Oder so was", lächelte er.
Mimi leuchtete ihm voller Schrecken mitten ins Gesicht, und er fuhr zurück.
„Ich bin nicht der Feind, Mimi!" Er lachte wieder, und das beruhigte sie. „Ich bin bewaffnet, Kleines.
Außerdem sind wir bestimmt bald draußen."
„Ja, und ... welchen Weg sollen wir nehmen?"
„Einen, der nach oben führt und wo wir gut gehen können."
Harro sollte recht behalten. Der Weg stieg rasch an, und allmählich wurde es heller.
Bald stiegen sie die Treppen eines anderen Schachtes hoch und fanden sich scheinbar in derselben Gegend wieder. Die Ruinen zumindest waren genauso, die vereinzelten Feuer, der Rauch. Harro sah sich zur Orientierung um und stieß einen Fluch aus.
*
„Vielleicht haben sie uns nicht entdeckt", hoffte Mimi, aber wohl mehr, um sich selbst zu beruhigen.
Eine Schourcht, mit etwa zwanzig Dscherro besetzt, patrouillierte im Niedrigflug dahin.
Harro packte Mimis Hand und rannte auf einen umgestürzten Wohnturm zu. „Hat keinen Sinn, wieder in den Kanal runterzugehen", stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Mimi stolperte mehrmals, fing sich jedoch jedesmal wieder. Harro trug sie schon halb, damit es noch schneller ging. Die Dscherro schienen keine Eile zu haben; anscheinend wollten sie nur Gefangene, keine Toten, denn sie schossen nicht auf die beiden.
Offensichtlich glaubten sie fest daran, daß ihnen keiner mehr entkommen konnte. Die Schourcht ging auf Sinkflug, und aus den lamellenartigen Schotten an den Bordwänden strömten die schwerbewaffneten, skurril bekleideten Plünderer heraus. Sie verteilten sich rasch in alle Richtungen, plärrten und bellten in ihrer gutturalen, von vielen Ch- und Sch-Lauten durchsetzten Sprache herum, als ginge es lediglich auf einen Betriebsausflug.
Einer, der sich besonders aufwendig mit Stulpenstiefeln, Kettenhemd, mit fellüberzogener Lederhose, breitem Waffengürtel, Amuletten und Ohrringen gekleidet hatte, heftete sich an Mimis und Harros Fersen.
„Wir brauchen Verstärkung, und zwar sofort!" schrie Harro in sein Kombiarmband und gab immer wieder die Position durch: Noch immer wurde nicht geschossen, und für den Einsatz der Neurowaffen waren die flüchtenden Menschen zu weit entfernt. Endlich erreichten sie den Wohnturm, und Mimi kletterte flink wie ein Äffchen über Trümmerteile durch eire aufgesprengtes Fenster ins Innere. Harro war knapp hinter ihr.
Die Veränderung der Perspektive des Turms durch den Sturz war bizarr; viel mehr als ein Rohskelett stand ohnehin nicht mehr. Der Turm war vollständig ausgebrannt, an manchen Stellen qualmte es noch, aber offenes Feuer gab es keines mehr.
„Zuwenig Deckung", knurrte Harro.
„Aber er ist zu dick, um uns hier durch schnell folgen zu können", hoffte Mimi. „Versuchen wir, ans andere Ende zu kommen!"
Der LFT-Mann ließ ihr den Vortritt; sie fand mühelos den schnellsten und sichersten Weg und beherrschte selbst schwierigere Klettertouren mit traumwandlerischer Sicherheit.
Mimi konnte hören, daß draußen inzwischen gekämpft wurde; die Verstärkung für sie war eingetroffen - nur half ihnen das momentan hier drin nichts.
„Ihr könnt nicht entkommen", drang eine rauhe Stimme zu ihnen durch. Anscheinend hatte inzwischen fast jeder Dscherro einen Translator erbeutet. „Ergebt euch, dann geschieht euch nichts."
„Von wegen", murmelte Harro. Er machte sich nicht die Mühe zu antworten.
Der Dscherro machte es sich leichter, er schoß Hindernisse einfach aus dem Weg. Aufgrund seines Gewichts war er bereits ein paarmal eingebrochen, aber das hatte ihn kaum aufgehalten.
Mimi wollte nicht darauf achten, aber sie bekam doch nur zu genau mit, was hinter ihr vorging. Hörte es denn nie auf? Wie in einem Alptraum, in dem man dauernd vor einem unsichtbaren Monster davonlief und genau wußte, daß man nicht entkommen konnte.
„Nach links!" keuchte Harro hinter ihr. „Dort ist ein zweites Gebäude, da können wir ihn abschütteln!"
Mimi änderte augenblicklich den Kurs. Das sich rasch nähernde Getöse hinter ihr verlieh ihr fast Flügel.
Wie ein kleiner Pfeil schoß sie durch ein zertrümmertes Schott, brachte den kurzen, deckungsfreien Zwischenraum hinter sich und war in dem Gebäude verschwunden. Wenige Sekunden später hatte Harro sie erreicht.
*
Das Gebäude war wohl einmal so etwas wie ein Touristik-Informationsbüro gewesen, mit
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