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189 - Die Regenbogenschlange

189 - Die Regenbogenschlange

Titel: 189 - Die Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz
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das Kind in Sicherheit gebracht hatte.
    »Ich werde euch nun wieder verlassen«, fügte sie am Schluss hinzu und hob die Hand.
    Ein Mann trat auf sie zu – vielmehr vertrat er ihr den Weg.
    Aruula sah beunruhigt, dass auch seine Pupillen gespalten waren. Sein Gesicht war faltig, und er war wie alle anderen Erwachsenen völlig haarlos. »Bitte bleib«, sagte er ziemlich gut verständlich. »Heute ist ein besonderer Tag. Die Männer kommen von der Jagd, es gibt ein Festessen. Wir haben lange nicht mehr gegessen. Und deine Ankunft ist ein Zeichen.«
    Bitte nicht, dachte Aruula. »Es ist nur Zufall«, wehrte sie freundlich ab. »Es war ein Glück für das Kind, dass ich gerade da war.«
    »Wir müssen dir danken«, sagte der Mann. »Und du hast Hunger, weiße Frau.«
    Das stimmte allerdings. Seit dem Festbraten hatte sie nichts mehr zu sich genommen. Sie musste auch ihren Wasservorrat auffüllen.
    Aruula erstarrte, als sie von kleinen braunen Fingern betastet wurde. Kinder, die sie anstarrten wie ein göttliches Wunder. Aber auch die Erwachsenen schienen zusehends fasziniert von ihr zu sein. Vor allem von ihren Haaren, die sie leise flüsternd betasteten, sogar streichelten. Aruula begriff, dass sie die Einladung annehmen musste, ihr blieb keine Wahl.
    Man würde sie nicht so einfach gehen lassen.
    »Also gut«, gab sie nach. »Mein Name ist Aruula.«
    »Ich bin Durangi«, sagte der Mann. »Der Schamane des Volkes der Lira Aranda.«
    »Ich bleibe aber nur zum Essen«, fuhr Aruula fort. »Noch vor heute Abend werde – muss ich weiterziehen.«
    Der Schamane sagte nichts dazu. Aruula rieb sich fröstelnd den Arm. Diese Stille hier war unnatürlich. Die Menschen unterhielten sich nicht miteinander, und auch ihre Geister waren völlig stumm. Aruula fühlte sich taub. Dieser Ort drückte schwer auf ihr Gemüt. Am liebsten hätte sie sich umgedreht und wäre gegangen. So lethargisch, wie diese Menschen waren, wären sie ihr sicherlich nicht gefolgt; sie befand sich am Rand des Dorfes und hätte schnell genug Abstand gewinnen können. Aber sie brachte die Kraft nicht mehr auf. Die Augen des Schamanen, die unverwandt auf sie gerichtet waren, übten eine hypnotische Anziehung aus, die selbst den starken Ruf in ihrem Inneren überlagerte.
    »Relleli wird dich führen, sie versteht deine Sprache. Du kannst ruhen, während wir alles vorbereiten. Die Männer sind schon fast da, und sie bringen gute Beute mit.« Der Schamane schob ein mageres, etwa fünfzehnjähriges Mädchen auf Aruula zu. Es besaß noch Augenbrauen, aber nur noch spärlichen Haarwuchs auf dem Kopf. Aruula begriff, dass die Menschen sich nicht die Haare ausrissen oder abschabten, sondern sie ab einem gewissen Alter verloren. Schauerlich. Sie ertappte sich dabei, wie sie erneut fröstelnd die Schultern hob und ihre Arme rieb.
    Der Schamane wandte sich ab, und der Großteil der Leute folgte ihm.
    »Woher weiß er, dass die Männer gleich eintreffen werden?«, fragte Aruula das Mädchen.
    »Das weiß jeder«, antwortete Relleli.
    Aruula fiel auf, dass sich die Menschen hier alle ziemlich ähnlich sahen. Es musste schon sehr lange Inzucht stattfinden.
    »Ihr habt euch hier niedergelassen? Keine Nomaden mehr?«
    »Nur die Frauen und die Alten. Die Krieger sind meistens unterwegs.« Das Mädchen winkte, ihr zu folgen.
    »Dann bringen sie die Sprache mit?«, forschte Aruula weiter.
    Relleli hob die Schultern. »Manchmal. Wir sehen nur sehr selten andere. Sie meiden uns, wir meiden sie.«
    Aber irgendein Kontakt musste stattfinden, sonst würde die Verständigung nicht so gut klappen. Aruula kam auf einmal ein fürchterlicher Gedanke.
    Die Barbarin folgte dem Anangu-Mädchen weiter in die Siedlung hinein, wenn man das so nennen konnte. Die Hütten wirkten aus dieser Perspektive noch trostloser. Nichts hier war wirklich lebendig, aber auch noch nicht ganz tot. Aruulas Lauschsinn fand immer nur ein hohles Echo, und die Augen der Menschen vom Stamm der Lira Aranda hatten einen seltsamen Glanz. Sie wirkten kalt und gefühllos, und doch lag noch etwas Gefährliches in ihnen, wie ein lauerndes Raubtier, das geduldig auf Beute wartet.
    Und dann sah sie die Schlangen. Auf Schnüren aufgereihte Schlangenhäute, die ebenso als abstrakter Schmuck benutzt wurden. Und Schlangen in engmaschigen Käfigen, die von Kindern einzeln herausgeholt und als Spielzeug verwendet wurden! Versuchte eine Schlange einmal, sich zur Wehr zu setzen, zeigte ihre Giftzähne oder zischte… zischte das Kind

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