1893 - Offensive des Traal
ihr Machtwille größer war als sein Glaube.
*
Vetter Tendrik Maull stank zwanzig Meter gegen den Wind. Houcho widmete der Gestalt in ihrer schmuddeligen Kutte nur kurze Aufmerksamkeit. Ihr Blick wanderte weiter und musterte die achtzehn Gefangenen. Roboter trieben sie die Straße herauf, die vom Stadtrand zur Residenz führte. Mit Elektropeitschen sorgten sie dafür, daß keiner auch nur andeutungsweise an Flucht dachte.
Achtzehn Stück, eine beachtliche Zahl. Fünfzehn davon waren Mönche beiderlei Geschlechts. Zwei gehörten dem Volk der Mourmalen an, und einer war - hier stockte der Anführerin des Traal der Atem - ein Jedouine. Die Kutte verbarg den mächtigen Körper. Houcho Maull erschauerte bei dem Gedanken, daß der Artgenosse gut zwei Köpfe größer war als sie selbst.
„Gut so", sagte sie leise in ein Funkgerät. „Tendrik, du bist ein Genie."
Er mußte sie hören, aber er gab nichts dergleichen zu erkennen. Hinter dem unordentlichen Haufen nahm er sich wie ein ruhender und gleichzeitig gleitender Pol aus. Einen besseren Adjutanten konnte sie sich nicht wünschen.
Die ersten Mönche erreichten das Tor. Die Wächter rissen ihnen die Schärpen vom Leib und stießen sie weiter. Zwei Roboter der Leibgarde warfen Netze über die Gefangenen und zogen sie empor zum Käfig auf der Balustrade.
„Krüppel, hörst du die Gefangenen?" kicherte Houcho. „Natürlich hörst du sie. Du zählst ihre Schritte und weißt ganz genau, daß es fünfzehn Mönche und drei andere sind."
„Zwei andere", klang es unter den Lumpen hervor. „Versuch nicht, mich zu belügen."
Houcho Maull lachte laut auf.
„Es sind drei. Den Jedouinen kannst du nicht hören. Oder hast du jemals meine Schritte bemerkt?"
„Ja."
„Dann kannst du also selbst deinen Ohren nicht mehr trauen. Es geht zu Ende mit dir. Bleibst du hier, oder willst du mich begleiten?"
„Ich bleibe. Deine Unersättlichkeit widert mich an."
„Wie du willst. Eine kleine Kostprobe sollst du dennoch erhalten."
Sie beugte sich über das Geländer des Balkons und starrte auf den Käfig hinab, der sich füllte.
„Die letzten drei Mönche bleiben draußen. Ich will mir ihre Gesichter ansehen. Bringt sie mir herauf!"
Tendrik hob einen seiner Arme und trat zu der Gruppe der Gefangenen. Die letzten drei klemmte er sich einen nach dem anderen zwischen die Beine und riß ihnen den Kopf ab.
„Darf es etwas mehr als das Gesicht sein? Ich bringe sie dir persönlich."
„Überlaß es den Robotern! Du solltest zunächst etwas gegen deinen Gestank tun."
Tendrik Maull verschwand im Innern der Residenz, und die Anführerin des Traal wandte sich an die Leibgarde.
„Schafft mir den Jedouinen herbei! Ich erwarte ihn im Thronsaal."
Sie warf einen letzten Blick auf das Bündel in der Ecke. Der Mönch rührte sich nicht. Nur sein Atem ging hektisch, ein deutliches Zeichen, daß er genau wußte, was unten auf der Balustrade geschehen war.
Zufrieden kehrte Houcho Maull in das Innere des Gebäudes zurück: Als sie den Thronsaal erreichte, wartete der Jedouine bereits. Er warf einen Schatten, der vom Eingang bis fast zu den Stufen vor dem Thron reichte. Houcho nahm Platz und konzentrierte sich auf den Hünen. Ertrug eine riesige Kapuze, die nicht. nur den Kopf und die Stirn bedeckte, sondern weit nach unten hing. Das Gesicht dahinter ließ sich nur erahnen.
„Wo bist du geboren, Unglückseliger?"
„Auf Thenmarg."
Die zwei Worte reichten aus, ihr Inneres erschauern zu lassen. Sie konzentrierte sich stärker und spürte die Macht, die von ihm ausging.
„Thenmarg! Im Zentrum des Reiches. Wie heißt du?"
„Ich habe keinen Namen."
„Sieh an! Die Außenwächter nehmen den Agenten jetzt schon die Erinnerung an ihr früheres Leben.
Wie tief sie doch gesunken sind!"
„Ich bin kein Agent. Meine Erinnerung ist vollständig."
„Du bist ein Agent, sonst hätte Tendrik dich nicht hergeschafft."
„Ich habe ihn freiwillig begleitet. Der einzige Grund, warum ..."
„Narr. Ich werde dich hundert Tage lang zu Tode quälen. Irgendwann wirst du um Gnade winseln."
„... ich hier bin, bist du, Houcho Maull. Vor dir steht der erste Abgesandte."
Das Gequassel des Artgenossen ließ die Jedouine trotz der magischen Stimme kalt.
„Natürlich. Nach dir kommt der zweite, dann der dritte, vierte und so weiter. Sie verschwenden ihre Zeit."
Aus den Tiefen der Residenz erklangen erste Schreie. Die Folterknechte begannen ihr schauriges Werk.
Irgendwann redete jeder
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