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19 Minuten

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Titel: 19 Minuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Richterzimmer, vor allem weil sie wusste, dass das der leichtere Teil war. Sich von dem Fall zu trennen, den Antrag zu formulieren, mit dem sie den Vorsitz abgab, war nicht annähernd so beängstigend wie das, was morgen geschehen würde, wenn sie nicht mehr Richterin im Fall Peter Houghton sein würde. Wenn sie stattdessen eine Mutter sein musste.
    Eleanor war nicht im Sekretariat, hatte Alex aber Unterlagen auf den Tisch gelegt. Sie setzte sich und überflog sie.
    Jordan McAfee, der bei der gestrigen Anhörung keinen Ton gesagt hatte, teilte seine Absicht mit, Josie als Zeugin aufzurufen.
    Sie spürte ein jähes Feuer im Bauch. Es war ein Gefühl, für das Alex keine Worte kannte — der animalische Instinkt, der geweckt wurde, wenn man begriff, dass ein geliebter Mensch als Geisel genommen wurde.
    McAfee hatte die Todsünde begangen, Josie in den Prozess hineinzuziehen, und Alex' Gedanken überschlugen sich förm-lich, als sie überlegte, was sie tun konnte, damit er den Fall abgeben musste oder sogar seine Zulassung verlor. Es war ihr egal, ob ihre Rache sich innerhalb oder außerhalb der Grenzen des Gesetzes bewegte. Doch plötzlich verharrte Alex. Jordan McAfee war nicht der Mensch, hinter dem sie bis ans Ende der Welt herjagen würde - dieser Mensch war Josie. Sie würde alles tun, damit ihre Tochter nicht noch einmal verletzt wurde.
    Vielleicht sollte sie Jordan McAfee sogar dankbar sein, weil sie durch ihn erkannt hatte, dass in ihr doch eine gute Mutter steckte.
    Alex klappte ihren Laptop auf und begann zu schreiben. Ihr Herz hämmerte wie wild, als sie hinausging und Eleanor das Blatt Papier reichte.
    »Sie müssen Richter Wagner anrufen«, sagte Alex.
    Patrick brauchte keinen Durchsuchungsbeschluss. Aber als er einen Officer sagen hörte, er müsse kurz zum Gericht, schaltete er sich ein. »Ich bin schon auf dem Sprung dahin«, sagte er. »Ich erledige das.«
    In Wahrheit hatte er gar nichts am Gericht zu tun. Aber Patrick brauchte einen Vorwand, um Alex Cormier zu besuchen.
    Als er auf dem Gerichtsparkplatz aus dem Wagen stieg, entdeckte er ihren Honda sofort. Das war schon mal gut. Doch dann stockte er, als er sah, dass jemand hinterm Steuer saß ... die Richterin.
    Sie rührte sich nicht, starrte nur durch die Windschutzscheibe. Die Scheibenwischer waren eingeschaltet, obwohl es nicht regnete. Es sah aus, als wüsste sie nicht mal, dass sie weinte.
    Er spürte das ungute Gefühl in der Magengrube, das er immer hatte, wenn er an einen Tatort kam und ein in Tränen aufgelöstes Opfer sah. Ich komme zu spät , dachte er. Wieder mal.
    Patrick ging zu dem Auto hinüber, aber die Richterin hatte ihn wohl nicht bemerkt, denn als er ans Fenster klopfte, zuckte sie erschreckt zusammen und wischte sich hastig über die Augen. Er gab ihr ein Zeichen, die Scheibe herunterzulassen. »Alles in Ordnung mit Ihnen?«
    »Mir geht's gut.«
    »So sehen Sie aber nicht aus.«
    »Dann schauen Sie weg«, fauchte sie.
    Er beugte sich vor. »Sollen wir uns irgendwo in Ruhe unterhalten? Ich spendier Ihnen einen Kaffee.«
    Die Richterin seufzte. »Sie dürfen mir keinen Kaffee spendieren.«
    »Na gut, aber wir können trotzdem zusammen einen trinken.« Er richtete sich auf, ging um das Auto herum zur Beifahrertür, öffnete sie und stieg ein.
    »Sie sind im Dienst«, stellte die Richterin fest.
    »Ich mach gerade Mittagspause.«
    »Um zehn Uhr morgens?«
    Er griff hinüber zu dem Zündschlüssel, der steckte, und ließ den Motor an. »Fahren Sie runter vom Parkplatz und dann nach links, okay?«
    »Und wenn nicht?«
    »Herrje, legen Sie sich nie mit jemandem an, der eine Glock trägt.«
    Die Richterin sah ihn an. »Das sieht mir doch sehr nach Ent-führung aus«, sagte sie, doch dann fuhr sie los.
    »Erinnern Sie mich daran, dass ich mich hinterher verhafte«, sagte Patrick.
    Alex' Vater hatte sie gelehrt, immer ihr Bestes zu geben. Und was tat sie? Sie gab im wichtigsten Prozess ihrer Karriere den Vorsitz ab, ließ sich beurlauben und ging mit dem Leiter der Ermittlungen Kaffee trinken.
    Aber, so sagte sie sich, wenn sie nicht mit Patrick Ducharme einen Kaffee trinken gegangen wäre, hätte sie nie erfahren, dass das Chinarestaurant Golden Dragon schon um zehn Uhr morgens aufmachte. Wenn sie nicht mit ihm einen Kaffee trinken gegangen wäre, hätte sie nach Hause fahren und ihr Leben neu anfangen müssen.
    Jeder im Restaurant schien den Detective zu kennen und nichts dagegen zu haben, dass er in die Küche ging, um Alex ihren

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