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Titel: 19 Minuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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dessen ersten Atemzug er miterlebt hatte.
    Er wusste, dass es für Peter ein Schock sein würde, ihn zu sehen - wie viele Monate hatte er den Besuch immer wieder unter irgendeinem Vorwand hinausgezögert? Aber als ein Wärter die Tür öffnete und Peter in den Besucherraum führte, begriff Lewis erst, dass er nicht einen Gedanken daran verschwendet hatte, was es für ihn selbst für ein Schock sein würde, seinen Sohn zu sehen.
    Er war gewachsen. Nicht unbedingt größer geworden, aber kräftiger - seine Schultern füllten das Hemd aus, seine Arme waren muskulös. Unter dem künstlichen Licht wirkte seine Haut durchscheinend, bläulich. Seine Hände bewegten sich ohne Unterlass, auch noch, nachdem er sich gesetzt hatte.
    »Da schau her«, sagte Peter.
    Lewis hatte sich sechs oder sieben Erklärungen zurechtgelegt, warum er sich bislang nicht hatte blicken lassen, aber als er Peter jetzt vor sich sitzen sah, kamen ihm nur vier Worte in den Sinn. »Es tut mir leid.«
    Peters Mund wurde schmal. » Was denn? Dass du mich sechs Monate lang hast hängen lassen?«
    »Ich dachte eher«, gestand Lewis, »an die letzten achtzehn Jahre.«
    Peter lehnte sich zurück und starrte Lewis an, der sich zwang, den Blick zu erwidern. Würde Peter ihm Absolution erteilen, auch wenn Lewis noch immer nicht wusste, ob er imstande wäre, ihm die gleiche Gunst zu gewähren?
    Peter fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht und schüttelte den Kopf. Dann lächelte er, und Lewis spürte, wie sein ganzer Körper sich entkrampfte.
    Doch plötzlich gerann das Lächeln auf Peters Gesicht zu einem zynischen Grinsen. »Du kannst mich mal«, zischte er. »Ich bin dir doch scheißegal. Du willst dich gar nicht bei mir entschuldigen. Du willst nur selbst hören, wie du es sagst. Du bist deinetwegen hier, nicht meinetwegen.«
    Lewis' Kopf fühlte sich an, als wäre er mit Steinen gefüllt. Sein Hals konnte das Gewicht nicht mehr tragen, und er beugte sich vor, um seine Stirn auf die Hände zu stützen. »Ich bin zu nichts mehr in der Lage, Peter«, flüsterte er. »Ich kann nicht arbeiten, ich kann nicht essen, ich kann nicht schlafen.« Dann hob er das Gesicht. »Zurzeit kommen die Studienanfänger auf den Campus. Ich sehe sie von meinem Fenster aus, wie sie übers Gelände geführt werden und sich alles neugierig anschauen, und ich muss dauernd daran denken, wie ich mich darauf gefreut hab, dasselbe mit dir zu machen.«
    Kurz nach Joeys Geburt hatte er mal einen Aufsatz über den exponentiellen Anstieg von Glück geschrieben, über die Momente, in denen sich der Quotient nach einem auslösenden Ereignis sprunghaft veränderte. Er war zu dem Schluss gekommen, dass das Ergebnis eine Variable war, die nicht auf dem eigentlichen Auslöser basierte, sondern eher auf dem Zustand, in dem man sich zum betreffenden Zeitpunkt befand. So war zum Beispiel ein Vater, der sich für seinen Sohn Bildung und Erfolg und Unabhängigkeit erhofft hatte, unter anderen Umständen vielleicht einfach nur froh darüber, dass der Sohn am Leben und in Sicherheit war, weil er ihm so noch sagen konnte, dass er nie aufgehört hatte, ihn zu lieben.
    »Aber du weißt ja, was man übers College so sagt«, meinte Lewis. »Es wird überbewertet.«
    Seine Worte überraschten Peter. »Da blättern so viele Eltern über vierzigtausend Dollar im Jahr hin«, sagte Peter mit einem schwachen Lächeln. »Und ich hocke hier drin und lass mich vom Steuerzahler aushalten.«
    »Was könnte sich ein Volkswirtschaftler Besseres wünschen?«, scherzte Lewis, obwohl es nicht lustig war und nie lustig sein würde.
    Patrick hatte die Füße auf den Schreibtisch der Anklägerin gelegt, während Diana Leven die Untersuchungsergebnisse der Ballistiker durchsah. Sie waren dabei, seine Aussage vor Gericht vorzubereiten. »Er hatte zwei abgesägte Flinten, die er aber nicht benutzt hat«, erklärte Patrick, »und zwei Pistolen - beide Glock 17. Sie gehören dem Nachbarn von gegenüber. Ein Polizist im Ruhestand. Mit Pistole A wurden die weitaus meisten Schüsse abgegeben - die Schartenspuren auf den sichergestellten Projektilen bestätigen das. Pistole B wurde ebenfalls abgefeuert, wie die Ballistik festgestellt hat, aber wir konnten keine Kugel finden, die zu dem Lauf passt. Diese Waffe wurde mit Ladehemmung auf dem Boden im Umkleideraum gefunden. Bei der Festnahme hielt Houghton noch immer Pistole A in der Hand.«
    Diana lehnte sich im Sessel zurück, die Finger vor der Brust zusammengelegt. »McAfee wird Sie

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