190 - Der Sohn des Vampirs
bist du dran!« knurrte der Ex-Dämon. Seine perlmuttfarbenen Augen fixierten Boris. »Es ist Zeit, dich zu erlösen!«
Der flehende Blick des bleichen Blutsaugers huschte von einem zum anderen. Er wollte sein Leben behalten, das war klar. Aber wir durften ihn nicht leben lassen, denn er war ein Vampir.
Im Moment sah er überhaupt nicht gefährlich aus. Vor uns stand ein vor Verzweiflung schlotternder Feigling, aber er hätte sich verdammt schnell gewandelt, wenn er mit einem Opfer allein in diesem Apartment gewesen wäre. Gnadenlos hätte er es getötet und ebenfalls zum Blutsauger gemacht.
Boris streckte die Hände mit gespreizten Fingern abwehrend vor. »Laßt mich laufen!«
»Das ist unmöglich«, erwiderte Mr. Silver rauh. »Du bist ein verfluchter Vampir, der sich von Menschenblut ernährt.«
»Ich… weiß, wo Ragon ist!« platzte es aus Boris Palance heraus. »Das wollt ihr doch wissen, nicht wahr? Ich kann euch zu ihm führen. Ich kenne sein Versteck.«
»Ist Karen bei ihm?« fragte Vicky bang.
»Selbstverständlich. Sie ist eine Blutbraut.«
»Aber sie ist keine Vampirin.« Vicky sah den Blutsauger unruhig an.
»Noch nicht«, antwortete Boris, wohl um uns zu ködern. »Aber er kann sie jederzeit auf die dunkle Seite hinüberholen. Jeder Biß bringt sie diesem Ende näher.«
Vicky schauderte. »Wir müssen ihr das ersparen, Tony«, sagte sie zu mir.
»Wo ist dieses Versteck?« wollte Mr. Silver wissen. Er packte den blassen Vampir und schüttelte ihn derb. »Rede!«
»Kein Wort kommt über meine Lippen!« krächzte Boris Palance. »Entweder ihr seid mit dem Tausch, den ich euch anbiete, einverstanden, oder ich sterbe hier, und ihr findet Karen Gray und Ragon nie!«
»Laß ihn los, Silver!« verlangte ich.
Die Finger des Ex-Dämons öffneten sich. Er schaute mich ungläubig an. »Du machst mit diesem blutgierigen Bastard ein Geschäft?«
Vorläufig ja, dachte ich. Später werden wir weitersehen. Normalerweise kann man sich auf meine Zusagen verlassen, aber ein Wort, das ich einem untoten Feind gebe, ist für mich von unbedeutendem Wert. Mr. Silver begriff das, als er meine Gedanken las.
»Na schön«, gab er nach. »Du hast gewonnen. Zeig uns, wo sich Ragon und seine Blutbraut versteckt haben.«
Wir verließen Karen Grays Apartment. Vor dem Haus stand immer noch das leere Taxi mit laufendem Motor. Ich schickte Vicky nach Hause, wollte sie nicht bei mir haben, wenn wir Ragon begegneten, denn daraus konnte sich ein erbitterter Kampf entwickeln.
Während der Fahrt quetschten wir Boris Palance aus. Wir wollten alles erfahren, was er über Ragon wußte. Er sprach über Ragons Vater, Calumorg, den Uralt-Vampir, der sich vor sehr langer Zeit mit Loxagon angelegt hatte und von diesem grausam bestraft worden war.
Der bleiche Blutsauger wußte auch, wie Ragon seinen Vater befreien wollte, und daß seine Blutbraut dabei den Lockvogel spielen sollte.
Ob diesem gefährlichen Pärchen bereits jemand in die Hände gefallen war, konnte uns Boris Palance nicht sagen.
Mr. Silver sprach aus, was ich dachte: »Hoffentlich hatten sie noch keinen Erfolg.«
***
Karen Gray öffnete den Wagenschlag und zerrte den schlaffen, vierschrötigen Mann hoch. Er war ein schwerer Brocken, und Karen plagte sich mit ihm ziemlich ab, aber sie schaffte es, ihn in den Fond des Fahrzeugs zu hieven.
Sobald er auf den Rücksitzen lag, drückte sie die Tür zu und setzte sich ans Steuer. Ein zufriedenes Lächeln umspielte ihre vollen Lippen.
Sie fuhr los und freute sich auf Ragons Lob. Nichts war ihr wichtiger, als ihn zufriedenzustellen. Eines Tages würde sie sein wie er und ihn überallhin begleiten, davon träumte sie, seit er zum erstenmal ihr Blut getrunken hatte.
Karen war mit ihren Gedanken bei Ragon. Sie fuhr unachtsam, und das hatte zur Folge, daß ein Verkehrspolizist auf sie aufmerksam wurde.
Er folgte ihr auf einer schweren Maschine, und sie wußte, daß sie ihn unmöglich abhängen konnte. Nervös dachte sie an den Bewußtlosen auf den Rücksitzen.
Reiß dich zusammen! sagte sie sich aufgewühlt. Jetzt kommt es darauf an, daß du gut und überzeugend spielst!
Der Polizist überholte sie und winkte sie links ran. Er stieg von seinem Motorrad ab und kam zu ihr. Lässig tippte er sich an den Sturzhelm.
»Ist irgend etwas nicht in Ordnung?« flötete Karen. »Habe ich einen Fehler gemacht? Das würde mich nicht wundern bei dem Ärger, den ich ständig mit meinem Bruder habe. Abend für Abend hängt er in den
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