191 - London - Stadt der Vampire
dürfen. Erst mal ging er mit diesen Fremden.
Vor dem Haus stand Tucker Peckinpahs silberner Rolls Royce. Sie stiegen ein. Cruv übernahm das Steuer, Morron Kull saß auf dem Beifahrersitz, und Tucker Peckinpah befand sich mit Flora Nugent und Vincent Crespo im Fond.
Der Gnom fuhr los. Peckinpah fragte nach dem Namen des Mädchens.
»Sie heißt Flora Nugent«, antwortete Crespo schnell, um sich bei Peckinpah Liebkind zu machen. »Man kann sich auf sie verlassen. Sie steht voll zur Clique, ist genau wie ich zu allem bereit. Darf ich… ein paar Fragen stellen?«
Der Industrielle hatte nichts dagegen. Mit wachsender Begeisterung stillte Vincent Crespo seinen Wissensdurst. Tucker Peckinpah weihte ihn darüber hinaus auch noch in Morron Kulls Pläne ein.
Der Anführer der ›Wegbereiter‹ zerfloß geradezu vor Ehrfurcht vor Morron Kull.
Der Industrielle wies auf das Autotelefon. »Ruf die anderen an und sag ihnen, wohin sie sich treffen sollen!«
Crespo wollte mit Zombie-Charly den Anfang machen, doch Peckinpah sagte: »Den kannst du vergessen.«
Crespo sah ihn verwirrt an. »Aber wieso? Er gehört zu uns!«
»Nicht mehr«, erwiderte der Industrielle gefühllos. »Er ist tot.«
»Tot?« Crespo konnte es nicht fassen.
Peckinpah informierte ihn. Crespo knirschte grimmig mit den Zähnen. »Tony Ballard und Mr. Silver! Diese Namen werde ich mir gut merken!«
»Du wirst sie noch oft hören«, versicherte ihm der Industrielle und schaute finster durch das getönte Glas des Seitenfensters.
Langsam begann es zu dämmern…
***
Mir ging die Gefühllosigkeit nicht aus dem Kopf, mit der sich Zombie-Charly das Leben genommen hatte. Völlig emotionslos hatte er gehandelt, als würde ihn die Sache nicht im mindesten berühren. Eiskalt hatte er sein Leben weggeworfen, als gäbe es nichts Wertloseres für ihn.
»Bei Crespo müssen wir besser aufpassen«, sagte ich zu Mr. Silver, als wir ausstiegen. »So etwas Entsetzliches darf sich auf keinen Fall wiederholen.«
»Bin ganz deiner Meinung«, pflichtete mir der Ex-Dämon bei. Es lag in der Natur der Sache, daß er härter war als ich, aber kalt gelassen hatte Charly Becks Selbstmord auch ihn nicht.
Wir betraten das Haus, in dem Vincent Crespo wohnte. Ein flaues Gefühl beschlich mich, als ich die offene Tür sah. Da konnte irgend etwas nicht stimmen.
Ich sah Mr. Silver an und ließ meine Hand ins Jackett gleiten, doch der Hüne bedeutete mir, den Colt Diamondback vorläufig noch stecken zu lassen.
Wir näherten uns der offenen Tür und betraten Crespos kleine Bude.
»Entweder erlitt er einen Tobsuchtsanfall und wollte alles kurz und klein schlagen - oder er kämpfte mit jemandem«, stellte Mr. Silver, sich umsehend, fest. »Ich tippe auf letzteres.«
»Ich auch«, sagte ich. »Die gebrochene Schranktür, der umgefallene Tisch, der kaputte Plattenspieler, die offene Wohnungstür… Sieht so aus, als wäre Vincent Crespo entführt worden.«
»Fragt sich, von wem?« Der Ex-Dämon konzentrierte sich. Ein silbernes Flirren entstand auf seinen Handrücken. Er tastete sich durch die Wohnung, und plötzlich vernahm ich ein helles Zischen.
Als hätte jemand Schießpulver in Brand gesteckt.
Unter Mr. Silvers Händen zischte eine violette Stichflamme hoch, ohne ihn zu verbrennen, und verpuffte. Der Ex-Dämon war auf eine magische Spur gestoßen!
»Verdammt, Tony, das hat nichts mit Calumorg zu tun!«
Wir kannten nur zwei Höllenfeinde, deren Magie violett war, wenn sie sichtbar wurde: Atax, die Seele des Teufels, und Morron Kull.
Welcher von beiden war hier gewesen?
Von Atax hatten wir schon länger nichts gehört. Seine Heimat war nicht nur die Hölle, er war außerdem der Herrscher der Spiegelwelt.
Wir nahmen an, daß er sich zur Zeit dort aufhielt.
Blieb Morron Kull, der ehrgeizige junge Dämon, dem es so sehr darum ging, aus dem Schatten seines ›großen‹ Vaters hervorzutreten, der allen beweisen wollte, daß Mortimer Kull im Vergleich zu ihm ein kleines Licht gewesen war. Bisher war ihm das noch nicht gelungen.
Mein Blick erforschte die scharf geschnittenen Züge des Ex-Dämons.
»Kull?« fragte ich.
Mein Freund nickte langsam. »Das nehme ich an.«
»Wie paßt er zu den ›Wegbereitern‹ und zu Calumorg?«
»Vielleicht ist er das Bindeglied.«
»Hier wurde gekämpft«, gab ich zu bedenken.
»Vielleicht gab sich Morron Kull dem ›Wegbereiter‹ nicht sofort als Dämon zu erkennen«, nahm Mr. Silver an.
Ich begab mich zum Telefon und wählte Tucker
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