191 - London - Stadt der Vampire
frostig. »Geh! Verschwinde! Und tu nichts, womit du meinen Zorn erregst!«
***
Wir führten Zombie-Charly durch eine schmale Einfahrt. Der Blasse hatte zugegeben, von Harry Raffertys Eltern erfahren zu haben, daß wir neugierige Fragen stellten. Er wollte etwas für die Clique tun, deshalb folgte er uns zu John Tingwells Fotostudio. Die Stunden der ›Wegbereiter‹ waren von nun an gezählt, und wir hofften, auch Calumorg bald das blutige Handwerk legen zu können.
Ein roter Stockautobus kam uns auf der Straße entgegen.
»Ihr werdet der Polizei doch sagen, daß ich euch alles verraten habe, was ich weiß«, vergewisserte sich Charly Beck.
»Natürlich«, antwortete Mr. Silver.
»Das bringt mir mildernde Umstände ein, nicht wahr?«
»Man wird es zu deinen Gunsten berücksichtigen«, versprach ich.
»Ich habe eigentlich nicht viel getan«, versuchte der Blasse die Dinge zu beschönigen.
»Du hast versucht, Tony Ballard totzufahren!« stellte Mr. Silver klar. »Das war in meinen Augen ein Mordanschlag, und es würde mich sehr wundern, wenn die Polizei es anders sehen würde.«
»Ich war außer mir vor Wut, sah rot, weil den ›Wegbereitern‹ Gefahr drohte. Ich wollte sie abwenden.«
»Mit einem Mord!« sagte der Ex-Dämon hart. »Und als es nicht klappte, spieltest du seelenruhig an einem dieser Automaten, als wäre nichts geschehen. Ich muß schon sagen, dazu gehört eine gehörige Portion Kaltschnäuzigkeit, mein Freund!«
Zombie-Charly rechnete in Wirklichkeit überhaupt nicht mit mildernden Umständen, aber das stellte sich erst später heraus. Er wollte uns nur ablenken, hatte nicht die Absicht, sich von uns der Polizei übergeben zu lassen.
In diesem Hof hatte ich mich gefragt, wie der Blasse es verkraften würde, daß er die ›Wegbereiter‹ verraten hatte. Die Antwort bekam ich nun.
Charly Beck handelte so unerwartet, daß ihn weder Mr. Silver noch ich zurückreißen konnten. Er sprang auf die Motorhaube eines geparkten Wagens und federte von dort weiter aufs Dach.
Jetzt erst begriff ich, was er vorhatte.
Mein Herz krampfte sich zusammen. »Tu’s nicht, Charly!« brüllte ich, aber der Blasse hatte schon die Arme ausgebreitet und sich kraftvoll abgestoßen.
Wie ein Acapulcospringer stürzte er sich vor den Autobus und wurde von diesem überrollt.
Der Verräter hatte sich selbst gerichtet.
***
»Hallo, Partner«, sprach ich ins Autotelefon.
Am anderen Ende war der reiche Industrielle Tucker Peckinpah. Mein ›Wegbereiter‹. Er hatte in all den Jahren unserer Zusammenarbeit schon sehr viel für uns getan. Mit seinen weitreichenden Verbindungen und sagenhaften Beziehungen war er geradezu unentbehrlich.
»Tony«, sagte er erfreut. »Benötigen Sie mal wieder meine Hilfe?«
»Leider ja.«
»Wieso leider? Sie wissen doch, daß ich es gern sehe, wenn Sie mich in Ihre Tätigkeit mit einbeziehen.« Er hatte in letzter Zeit einige Male Pech gehabt. Es hatte sich herausgestellt, daß manche Beziehungen eingerostet waren, als er sich ihrer bedienen wollte. Deshalb hatte der Industrielle beschlossen, sie frisch zu schmieren, und wenn das nichts nützte, auszutauschen.
Wenn Peckinpah wirksam eingreifen sollte, mußte er sämtliche Zusammenhänge kennen. Da ich ihm traute wie mir selbst, hielt ich keine Information zurück.
Er erfuhr alles, was Mr. Silver und ich in Erfahrung gebracht hatten.
»Ich werde veranlassen, daß man unverzüglich zum Schlag gegen die ›Wegbereiter‹ ausholt«, versprach der Industrielle. »Bis zum Abend befinden sie sich alle auf Nummer Sicher. Sollte Ihnen - was ich nicht hoffe - Vincent Crespo durch die Lappen gehen, wird die Polizei ihn auf ihre Fahndungsliste setzen.«
»Danke, Partner«, sagte ich, schob den Hörer in die Halterung und warf Mr. Silver einen entschlossenen Blick zu. »Und jetzt holen wir uns Crespo.«
***
Tucker Peckinpah ließ den Hörer grimmig auf die Gabel fallen. Er hatte das Gespräch auf Lautsprecher gestellt, damit es Cruv und Morron Kull mithören konnten.
Sie waren zu einem gefährlichen Trio geworden, ohne daß Tony Ballard und die anderen es wußten. Der Dämonenjäger und seine Freunde brachten dem Industriellen immer noch uneingeschränktes Vertrauen entgegen. Ein Vertrauen, das er nicht mehr wert war, denn er wurde von einer bösen Kraft beherrscht und gelenkt.
Sie befand sich in einem Bronzedrachen mit glühenden Augen, der auf seinem Schreibtisch stand. Die Figur war ein Geschenk der Dämonin Amphibia und nahm selbst nach
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