1911 - Die Flotte der Feiglinge
setzte sich in einen Sessel. „Ich habe mich ein wenig mit der Kultur der Thorrimer beschäftigt", versetzte er, „und dabei habe ich festgestellt, daß sie eine ganz andere Entwicklung genommen haben als wir Menschen der Erde."
„So? Haben sie das?" Alaska wußte selbst nicht, weshalb er eine solche Abneigung gegen diesen Mann empfand. Es fiel ihm schwer, ihm zuzuhören.
Petar O'Wannous ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Es ist nun einmal eine Tatsache, daß alle Lebewesen so etwas wie ein Urzeitgedächtnis haben", erklärte er. „Auch wir Menschen. Wir sind durch die Evolution unserer Art und die Veränderungen im Erdklima geprägt worden, und das vor Zehntausenden von Jahren."
„Das ist wissenschaftlich gesichert", bestätigte Gia de Moleon. „Warum erwähnst du das? Ist es wirklich nötig, so weit auszuholen?
„Unbedingt, Gia! Unsere Vorfahren mußten ihr Leben den neuen Bedingungen anpassen.
Viele von ihnen wurden zur Beute der Raubtiere, der Löwen und Leoparden, Feinde, die sie bis dahin so gut wie nicht gekannt hatten. Dagegen half nur, daß sie zusammenrückten, Gemeinschaften bildeten, sich solidarisierten, sich zur Gruppe zusammenfanden, um sich gemeinsam gegen den Angreifer zu wehren."
Alaska Saedelaere setzte sich nun ebenfalls.
Er fand die Ausführungen des Architekten interessant, auch wenn er den Mann nicht mochte. „Beachtlich - für einen Syntronikarchitekten", bemerkte er anerkennend. „Ich bin im Zweitberuf Exohistoriker", eröffnete sein Gegenüber ihm und fuhr fort: „Man machte sich gegenseitig Mut für den Kampf gegen den übermächtigen und sehr viel stärkeren Gegner, und somit entwickelte sich das, was man noch heute in jeder Menge beobachten kann: Die Menschen steckten sich gegenseitig mit ihren Gefühlen an. Ein Massenverhalten bildete sich heraus, in dem sich alle ausnahmslos mitreißen ließen. Wir kennen das ja, wenn vor der Menge ein geschickter Redner steht. Gelingt es ihm, die richtigen Worte zu finden, läßt sich die Menge nach seinem Willen manipulieren - sie tobt vor Begeisterung, weint oder lacht, jubelt oder empört sich, als sei sie eine Einheit."
Er ereiferte sich immer mehr, da er merkte, wie überzeugend er auf Alaska wirkte. „Um so begeisterter reagieren die Menschen, wenn sie es mit einem Einzelkämpfer zu tun haben, der ohne den Schutz und die Rückendeckung der Gruppe gegen einen Gegner antritt. Ihn stilisieren sie nur zu gern zum Helden hoch. Denkt nur an Tennisspieler, Boxer oder Fahrer von Gleiterrennen oder an ähnliche Einzelkämpfer in sportlichen Disziplinen. Sie können die Massen mitreißen."
„Und was hat das mit den Thorrimern zu tun?" fragte der Träger der Haut, für den Petar O'Wannous nun doch ein wenig zu weit ausholte. „Ich stelle fest: Bei den Terranern solidarisieren sich die Menschen gegen einen gemeinsamen Feind. Ursprung: Man konnte sich nur mit einer Gruppe wie groß auch immer die war - gegen die Raubtiere wehren."
Der Syntronikarchitekt lächelte. „Auf Thorrim gibt es keine Raubtiere, die den Thorrimern gefährlich werden und gegen die sie sich nicht wehren können. Es hat nie welche gegeben.
Auch vor Hunderttausenden von Jahren nicht.
Also ergab sich niemals die Notwendigkeit, sich zu solidarisieren, den Thrill des Kampfes in der Gruppe zu erleben. Wir bilden die Gruppe noch heute - das Heer, die Raumschiffsflotte. Die Thorrimer nicht. Bei jedem Kampf steht jeder für sich allein. So ist es nach meinen historischen Studien immer gewesen. Die Folge ist, daß die Thorrimer sich nicht wehren können. Sie können es wirklich nicht. Sie sind keine Feiglinge, sie sind nur anders als wir. Ebenso in Urzeiten geprägt wie wir - aber anders geprägt. Bei ihnen gibt es beispielsweise keinen Mannschaftssport, der ja auch nichts anderes ist als der Kampf zweier Gruppen gegeneinander."
Alaska Saedelaere war nachdenklich geworden, und er empfand einen gewissen Respekt vor Petar O'Wannous, gegen den er nun nicht mehr die große Abneigung empfand wie zuvor. Die Urzeitprägung war wissenschaftlich bewiesen, aber es war leichter anzuerkennen, daß ein Pferd aufgrund seiner Erfahrungen vor Tausenden von Jahren noch heute ein Fluchttier war, als zuzugeben, daß die Furcht, von Raubtieren gefressen zu werden, noch immer tief in den Menschen der modernen Zeit steckte, „Das klingt für mich überzeugend", sagte der Träger der Haut. „Aber welche Konsequenzen ziehen wir daraus?"
Petar O'Wannous erhob sich, Er
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