1948 - An den Grenzen der Macht
fortsetzte. Halb blind richtete sie ihre weniger verschleierten Hinterkopfaugen auf den Servo an der Wand.
„Er soll aufhören", stöhnte sie. „Ich gehorche ihm."
„Von wem sprichst du? Was kann ich für dich tun?" erkundigte sich die freundliche Stimme des Automaten. „Brauchst du Hilfe?"
Offensichtlich war der Kasten nicht darauf programmiert, Zustände eines Bluesmädchens zu erkennen.
„Vincent soll aufhören. Warum quält er mich?"
Sie warf sich hin und her und hielt die Schmerzen kaum aus.
Der Automat schwieg. Vermutlich kommunizierte er mit der Zentrale. .„Tut mir leid", fuhr die Stimme fort. „Vincent weiß nicht, wovon du sprichst. Er macht sich aber Sorgen und kommt Zu dir."
Angeekelt versuchte sich Tuyula aufzurichten und das Bett zu verlassen. Unter Aufbietung aller Konzentration gelang es ihr, aber danach war sie so erschöpft, daß sie wieder zurück in die weichen Kissen sank. Sie verengte ihre Pupillen und musterte die indirekte Beleuchtung an der Wand gegenüber.
Der Automat registrierte ihren Blick und dimmte das Licht. „Besser so?" erkundigte er sich.
Sie gab keine Antwort. Vincent materialisierte hinter ihr an der Tür und orientierte sich.
Fast gleichzeitig mit seinem Erscheinen ließen die Kopfschmerzen nach.
„Warum glaubst du mir nicht?" erkundigte sich der Mutant. „Du bist krank. Ein Medoroboter ist unterwegs. Er wird sich um dich kümmern."
Der Olymp-Geborene trat an das Bett und beugte sich über sie.
„Es tut mir weh, dich leiden zu sehen, meine Kleine. Ich werde alles tun, damit du schnell wieder gesund wirst."
Natürlich. Denn du brauchst mich. Ich verstärke deine Kräfte. Ohne mich bist du nur halb soviel wert.
Zum Glück war Garron kein Telepath. Er richtete sich wieder auf und knetete unruhig die schmalen Hände mit den dünnen Fingern. Überall auf der Haut waren die Narben jener Verbrennungen zu sehen, die er erlitten. hatte. Verbrennungen, die er seinen eigenen Fähigkeiten verdankte. Er hatte sich dagegen gewehrt, sie beseitigen zu lassen.
Gerade so, als sei er stolz auf sein Stigma.
Der Stigmatisierte - war es das? Quotor hatte ihn lange Zeit erfüllt und fehlte ihm jetzt angeblich. Fühlte der Mutant sich als eine Art Bote eines überirdischen Wesens?
„Es wird alles gut, meine kleine Tuyula", murmelte Vincent Garron und holte sich einen der blueschen Hocker heran.
Vincent setzte sich und schloß die Augen; „Wir haben viel zu wenig darüber gesprochen", sagte er. „Es ist meine Schuld. Ich werde es nachholen."
„Es gibt nichts nachzuholen." Tuyula wunderte sich, daß ihre Stimme fest und gleichmäßig war. „Du bist nicht verpflichtet, mir gegenüber Rechenschaft abzulegen."
Der Servo meldete das Eintreffen des Roboters. Ein Medo schwebte herein und nahm neben Vincent Aufstellung.
„Untersuch sie!" befahl Garron ihm. „Und heile sie auf dem schnellsten Weg."
Tuyula Azyk hob eine Hand. „Würdest du bitte draußen warten, Vincent?"
„Ja natürlich." Der Mutant sprang überhastet auf, murmelte etwas Unverständliches und verschwand aus der Kabine.
Tuyula entspannte sich. Sie zog sich aus und legte sich auf den Rücken.
. „Du kannst mich jetzt untersuchen", sagte sie leise. „Vincent hat recht. Mit mir ist etwas nicht in Ordnung. Aber was? Ich fühle mich wohl."
„Du hast Temperatur", bekräftigte die Maschine das, was bereits Garron gesagt hatte.
„Nicht hoch, aber immerhin. Sie liegt zwei Grad über der üblichen Körpertemperatur bei einer Blue deines Alters."
„Ist das sehr schlimm? Woher kommt es? Kriegt man davon Kopfschmerzen?"
sprudelten die Fragen aus ihrem Halsmund hervor.
Sie erinnerte sich flüchtig daran, daß ihre Mutter alle elf Tage von einem Phänomen heimgesucht wurde, das sie als Kopfrandmigräne bezeichnete.
Der Roboter fuhr ein halbes Dutzend Tentakel aus und betastete ihren Körper.
„Ob du jedesmal Kopfschmerzen haben wirst, läßt sich nicht im voraus sagen", erklärte der Medo.
Tuyula Azyk fuhr empor.
„Jedesmal?" zirpte sie schrill und hart an der Grenze zum Ultraschall. „Heißt das, ich leide unter einer chronischen Krankheit? Ist sie ansteckend?"
„Du brauchst keine Angst zu haben, kleine Tuyula. Es ist keine Krankheit, und ansteckend ist es auch nicht. Es ist ein völlig natürlicher Prozeß."
„Ich muß also sterben." Sie sank zurück und schloß das vordere Augenpaar. Das hintere, starre lag zwischen den Kissen und sah sowieso nichts.
„Du bist kerngesund und mußt nicht
Weitere Kostenlose Bücher