1948 - An den Grenzen der Macht
die erste Silhouette eines Kegels auf. Jeden Augenblick erwartete sie einen Paralysestrahl oder etwas anderes, Schlimmeres. Aber es geschah nichts.
Ungehindert erreichte sie den Schacht und sprang hinein.
„Abwärts!" rief sie. „Zur Bodenschleuse!"
Die Syntronik folgte der Aufforderung und trug sie hinab. Nach zehn Metern jedoch hörte die Sinkbewegung auf. Tuyula kam zum Stillstand und trieb nach oben, zurück an den Ort, wo sie eingestiegen war.
„Ich protestiere!" rief sie. „Das ist ein Verstoß gegen die Rechte des Individuums."
„Es liegt eine Anweisung vom Eigner vor", erklärte eine freundliche Syntronstimme.
„Joskar Jankinnen bittet dich, zu ihm in die Zentrale zu kommen."
Der Terraner spielte ein merkwürdiges, undurchschaubares Spiel. Als einziger neben Tuyula unterlag er nicht Garrons Suggestivbann. Tuyula glaubte nicht, daß er völlig auf Seite des Mutanten war. Vincent wußte das natürlich ebenso wie sie selbst. Er reagierte nicht darauf, solange sich Jankinnens Interessen mit den eigenen deckten. „Er Soll wegbleiben", rief sie erbost. „Ich will ihn nicht sehen. Und jetzt abwärts, los!"
Die Syntronik stellte sich taub und beförderte Tuyula hinauf ins Zentrum des Schiffes, wo die Zentrale lag. Der Kapitän selbst holte sie am Ausstieg ab. Endering Profest streckte die Arme nach ihr aus. Sie schüttelte den Kopf und blieb stehen.
„Ich widersetze mich dem Zwang, vorgeführt zu werden!" rief sie schrill. „Ich bin keine Gefangene und kein Ausstellungsstück."
Die Augen des Mannes blieben merkwürdig leer. Er stand voll unter dem Suggestivbann Garrons. Vincent hatte diesen offenbar erst vor kurzem, erneuert.
„Dann muß ich dich zwingen, Kleine."
Er packte sie und warf sie sich über die Schulter. Tuyula zappelte und schlug mit den siebenfingrigen Fäusten auf ihn ein. Ihre Anstrengungen blieben wirkungslos. Profest schnaufte nur.
„Benimm dich!" sagte er. Dann setzte er sie wieder auf den Boden zurück.
Tuyula entdeckte die Kegelroboter voraus, blieb sofort stehen. Sie duckte sich unter den mächtigen Armen des Mannes hinweg und rannte zurück zum Antigravschacht. In der Nähe des Einstiegs wußte sie die Metallklappe, hinter der die Wartungs- und Reparaturzone lag. Dorthin konnten sie ihr nicht folgen. Der Einstieg war zu klein.
Etwas hielt ihren Körper fest und beendete die Flucht endgültig. Im Zugstrahl eines Projektors verlor sie den Boden unter den Füßen und trieb hinter Profest her zur Zentrale.
Sie schlug um sich, aber das Feld ließ sich nicht davon beeindrucken.
„Warte, bis wir angekommen sind", sagte der Kapitän und blickte über die Schulter zurück. „Es wird sich alles aufklären."
„Ich habe nichts mit euch zu tun. Nicht mehr!"
Es blieb eine kühne Behauptung.
„Jankinnen braucht deine Hilfe", sagte Profest. „Deshalb sollten die Roboter dich abholen. Ansonsten hätten wir dir durchaus die Ruhe gelassen, die du nötig hast."
Die rätselhaften Worte hoben Tuyulas Stimmung um keinen Deut. Sie verschränkte die Arme und krümmte den Hals, so daß der Kopf beinahe auf den Schultern ruhte.
Der Kapitän der ST. AMARINA ließ .ihr am Eingang den Vortritt. Sie schwebte in die Zentrale, das Transportfeld setzte sie auf der linken Seite in der Nähe der Wand ab. Hier hatten sich bis auf den Orter alle anwesenden Besatzungsmitglieder versammelt. Und Vincent fehlte.
„Wo ist er?" Tuyula schwante Übles.
Joskar Jankinnen deutete auf die Mitte des Raumes. Dort waberten rosarote Schirmfelder.
„Er muß da sein. Er fluchte wegen einer dämlichen Hypersenke, dann fing er plötzlich an zu schreien und verschwand."
Eine Hypersenke! Wieder tauchte das Bild des toten Flake vor ihrem geistigen Auge auf. Daß Vincent mit Hilfe seiner Fähigkeiten solche Gebilde erschuf, stellte nichts Außergewöhnliches dar. Daß er dabei schrie und sich unkontrolliert verhielt, war neu.
„Die Hyperemissionen nehmen zu", stellte Wendelin Kalmaren fest. Der Orter saß an seinem Terminal. „Er kann das Phänomen nicht mehr kontrollieren."
Jankinnen starrte Tuyula aus zusammengekniffenen Augen an. Sein verzerrtes Gesicht erinnerte sie irgendwie an den Mutanten.
„Nimm deinen blauen Pelz zusammen, Göre! Wir bauen auf dich", zischte er. „Geh hinein! Du kannst das in Ordnung bringen."
„Ich? Nein!" Sie lehnte sich an die Wand und wünschte sich, mit ihr verschmelzen zu können.
Der Eigner machte ein .wütendes Gesicht und stürzte auf sie zu. „Dir werde ich
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