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1948 - Roman

1948 - Roman

Titel: 1948 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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einen Lederdeckel, damit sie nachts nicht leuchtete. Bei der zweiten Runde, wenige Stunden später, machte ich mit. Vielleicht sind wir von einem Haus am Ende des Viertels Katamon gekommen, oder von Givat Schaul, oder aus dem Kreuztal. Vermutlich haben wir gewartet. Ich erinnere mich an versengte Pflanzen, an Granaten, einen Dornbusch, der mich stach, fernen Verkehrslärm, düstere Steinhäuser – und Schüsse.
    Wir setzten zum Sturm an, ernteten Beschuss aus Geschützen und Gewehren und Maschinengewehren, ich erreichte ein Haus mit grünen Fensterläden in unmittelbarer Nähe des Klosters San Simon, und das Feuer wurde immer heftiger. Dort stand ein ehrwürdig anmutender Kiefernhain. Mein einziger Gedanke war, so erinnere ich mich heute, dass die Frau des Dichters Tschernichowski in diesem Kloster wohnte. Ich war wohl mit Usi Narkis’ Kompanievon Givat Schmuel hochgestürmt. Habe Schreie und Schüsse in Erinnerung. Es gab dort ein wunderschönes Gehölz und eine Terrasse, an der wir lagen, und kurz darauf liefen wir hoch oder runter, und ich kam irgendwie zu dem Haus mit den grünen Fensterläden an der Vorderseite, und es brach ein Brand aus, der schrecklich stank, und wir eroberten das Haus und danach das Kloster.
    Jemand lief durch den Rauch, ein arabischer Panzerwagen ballerte, als wir einfielen, und dann ein zweiter. Sobald ein Geschoss eine Klosterglocke streifte, fing sie an zu läuten, als wären wir auf einer Beerdigung in einer amerikanischen Kleinstadt auf der Leinwand des Mughrabi-Kinos. Nach dem Gefecht, an das ich keine Erinnerung habe, brachten wir das Kloster unter unsere Kontrolle und, wie ich meine, auch zwei Nachbarhäuser, darunter wahrscheinlich das mit den grünen Läden. Der Großangriff auf uns wurde noch vehementer, und bald waren wir eingekesselt. Ringsum saß der hartnäckige Feind, der mit allem, was er hatte, auf uns schoss. Und er hatte viel. Wir hatten kaum was, einige Granatwerfer und ein paar Williams-Karabiner. Ich erinnere mich an das Grauen, das mich packte, und daran, wie Raful – Rafi Eitan, der spätere Generalstabschef – verwundet wurde und ich ihm half, sich auf einen Stuhl zu setzen, den man auf einen Tisch gehievt hatte, und wie er von dort aus weiterschoss. Jemand rief ihm zu, er solle aufhören und sich vom Sanitäter verarzten lassen, und er rief jammernd zurück, als hätte er Liebeskummer: Aber ich töte doch den Feind!
    Auch ich schoss und wurde leicht verwundet, und dann gingen mir die Patronen aus. Shklar – der Sanitäter, ein Holocaustüberlebender, ich weiß nicht, wie er zu uns in die Kompanie gelangt ist – barg damals einen Toten von der anderen Hofseite, weil er die Feinde nahen sah undfürchtete, sie könnten den Leichnam schänden, und danach rannte er von einem Verwundeten zum andern, hielt bei mir inne, lächelte, gab mir Munition, und ich schoss. Bald darauf kam Dado und nahm mich und einen weiteren Mann mit hinaus. Ich habe keine Ahnung, warum. Wir waren wenige Meter vom Feind entfernt und mussten zwischen einer ziemlich niedrigen Mauer und dem Kloster hindurch. Der Weg glich einem Todestunnel, und alle Augenblicke brach jemand tot oder verwundet zusammen. Als wir zurückkehrten, sah ich zwei junge Frauen am Eingang. Es hieß, sie seien Nonnen. Ich konnte mich nicht entsinnen, sie beim Weggehen gesehen zu haben. Dado rannte nach oben, und ich suchte eine Zigarette. Jemand schoss auf mich, und ich duckte mich weg. Die Kugel traf eine der beiden angeblichen Nonnen. Ich blickte sie an. Der Schuss ließ ihren toten Körper erzittern. Ihr graues Kleid war zerfetzt. Jemand rief mir zu, ich solle raufgehen. Einer starb und fiel mir vor die Füße. Ununterbrochen hörte man das wilde Geschrei der Angreifer. Rauch stieg von dem Brandherd auf (ich lese Bilderfetzen zusammen). Ich ging wieder runter, weil jemand nach mir rief, aber der Rufer fiel verwundet zu Boden. Als ich zu der toten Nonne zurückkam, war ihr Kleid hochgeschoben. Zum ersten Mal sah ich weibliche Blöße. Sie war jung. Ich fand, Gottes Gnade sah hier dunkel und furchterregend aus.
    Handgranaten flogen in unsere Richtung. Man beschoss uns auch mit Granatwerfern von drei Zoll, und ich sah einen Feuerstreif über mir. Von oben ertönten Schreie. Ich stand wie gebannt vor der halbnackten Frau. Es war kein erotischer Anblick. Es war eine Horrorszene aus alten Filmen, wie ein schönes Unglück inmitten der Hölle. Ich hatte noch die Patronen, die der Sanitäter mir gegeben hatte, und wurde

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