1948 - Roman
ungemachte Betten hinterlassen. In einem Haus tönte ein großes Rundfunkgerät auf Arabisch. Jemand schoss und erlegte das Radio. Es waren reiche Häuser. Solchen Glanz hatten wir noch nie gesehen. Gold. Riesige Spiegel. Schimmernde Küchen, Kristallkronleuchter und ein Haufen Essen. Gratis. Edle Flaschen standen aufgereiht wie Soldaten. Wir rannten von Haus zu Haus. Ein paar Kämpfer schossen noch auf uns, und nach einer Weile, vielleicht Stunden später, schliefen wir in den Häusern ein. Es wurde ruhig. Manche aßen etwas von den Speisen, die vor unserem Eintreffen gekocht worden waren. Ich konnte nichts essen, weil Ari-Name-geändert mir den Mund verschloss, aber ich trank eine Flasche Wasser und schlief ein.
Wir gingen ins Freie, und ein paar Kumpels holten einen Panzerwagen und schleppten die Flaschen ab, vor allem die dicken, von denen wir später erfuhren, dass es Champagnerflaschen waren, und irgendwann kamen wirirgendwo an, vielleicht in Kirjat Anavim, vielleicht auch anderswo. Wir – alle, die nicht umgekommen waren – zogen uns nackt aus und überschütteten einander der Reihe nach mit Champagner. Wir standen da wie Soldaten im Paradies, unter dem angenehm prickelnden Strahl eines Getränks, das wir damals noch gar nicht kannten. Vermutlich waren wir die ersten Soldaten der Weltgeschichte, die mit perlendem Champagner duschten, statt ihn zu trinken. Ich hatte das Gefühl, kleine Ameisen aus dem Garten Eden würden über mich krabbeln, und wir schleckten unsere Haut ab. Danach übergossen wir uns mit einer wohlduftenden braunen Flüssigkeit, die wir später als französischen Cognac identifizierten.
Das war ein Fest, und wir sangen mit heiseren Stimmen. Speziell erinnere ich mich, dass wir nackt dastanden, mit französischem Champagner duschten und sangen: »Welche Liebste steht an meinem Grabe und stört die Ruhe, die ich nun habe«, mit dem blödsinnigen Schluss: »Beim fünfzigsten Schlag war Katharina noch nicht tot, und beim einundfünfzigsten Schlag war Katharina noch nicht tot.« Wir becherten und betranken uns, und danach zogen wir uns an und nahmen die Toten, die zerschunden und zerschossen aussahen, und begruben die, die zu begraben waren.
Rabin tauchte plötzlich auf und hielt eine Rede an den Gräbern, und später sangen wir das Lied: »Er hat zwar eine Hornhauttrübung / liebt mich aber ungeheuer. / Ich sitz mit ihm auf den Felsen drüben / Hauptsache, der andere platzt vor Neid«, und Benny fand das Lied blöd, riss sich den Verband vom Mund und rief, singt doch was anderes. Er wollte wissen, warum wir die großen Augenblicke, die Geburt der hebräischen Nation, lächerlich machten. Jetzt sei das ganze hebräische Jerusalem doch wieder zugänglichund gehöre uns bis ans Ende aller Zeiten. Damals wussten wir nicht, wie lange »bis ans Ende aller Zeiten« bedeutete.
Ein paar Tage später zogen wir bergauf zu einem Ort, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnern kann. Benny schrie, wir würden Ramallah erobern, dort gäbe es die beste Radiostation des Landes, aber wir nahmen die Stadt nicht ein, weil es nicht ging. Der Feind schlug sich wacker, und unser 5. Bataillon, das in Scheich Dscharach auf dem Weg nach Ramallah kämpfte, scheiterte bei dem Versuch, das Viertel zu erobern. Dabei wurden Davidka-Granaten abgefeuert, die zwei unserer Soldaten töteten. Die zwei bedauernswerten Kameraden hatten die Davidka ausgerichtet, und sie war ihnen unter den Händen explodiert. In jener Nacht fiel Regen, und es bildeten sich Pfützen, die am Morgen in der Sonne glitzerten. Jemand hatte in einem Dorf Schokolade gefunden, und wir aßen sie. Einige sagten, sie hätten Usi in einer Piper sitzen sehen – ich weiß nicht mehr, welchen Usi, vielleicht Usi Narkis. Er habe Rohre in der Hand gehalten, mit einem Streichholz eine Lunte angezündet und das Ding, das einer Bombe ähnlich sah, auf einen Trupp arabischer Kämpfer abgeworfen, was schrecklichen Lärm erzeugte, aber nur geringen Schaden anrichtete.
Nach Jahren, vielleicht dreißig Jahre später, rief mich Dado an, um mich zu einem feierlichen Rekrutengelöbnis auf Massada einzuladen. Ich fragte, wieso denn mich, und er antwortete, er habe schon ein paar Dichter eingeladen, aber ich läge ihm als Einziger am Herzen, weil er mich von San Simon in Erinnerung habe. Ich fragte, woran er sich erinnere, und er sagte, es habe einen Moment gegeben, in dem ich geschossen und sein Leben gerettet hätte. Ich konnte mich nicht mehr daran entsinnen, folgte
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