1954 - Flugziel Chearth
werde." Übereinstimmend sagte die Zentralebesatzung später aus, dass er blass gewesen war und schweißüberströmt. Garron teleportierte, bevor sich die Energiefelder schließen konnten, die der Servo aktivierte.
Danach vergingen Stunden, ohne dass der Mutant wieder erschien. Zweifellos hatte er sich in die Hypersenke zurückgezogen. Für die GILGAMESCH und die großen Beiboote galt permanent höchste Alarmbereitschaft. Erst kurz vor Mitternacht verließ Vincent Garron erneut sein Versteck. Nacheinander trafen Meldungen aus mehreren Modulen der GILGAMESCH ein, bevor der Todesmutant auf der MERLIN gestellt und überwältigt werden konnte.
Zur Überraschung der beteiligten Raumsoldaten leistete er keinen Widerstand, es erschien ihnen sogar, als hätte er bewusst die Gefangennahme provoziert. Unter dem starken Anti-Esper-Schirm, den Kampfroboter projizierten, versagten seine Mutantenfähigkeiten. Tuyula Azyk erfuhr erst am anderen Morgen, dass die Jagd auf Garron beendet war und an Bord wieder ein normaler Wachrhythmus Einzug hielt. Vincent selbst hatte den Einsatz der Anti-Esper-Felder verlangt, die nun auch seine Zelle absicherten. Überrascht war das Bluesmädchen, ihn nahezu apathisch vorzufinden. Vince stand unter Para-Psychopharmaka. Atlan hatte befohlen, ihm die Medikamente zu verabreichen, um ihn wenigstens vorübergehend ruhig zu stellen. Für Tuyula war das ein grober Vertrauensbruch. - ihr Freund Vincent hatte darauf vertraut, anständig behandelt zu werden. Wutentbrannt suchte Tuyula den Arkoniden auf. Als sie ihm jedoch gegenüberstand, brach ihre alte Unsicherheit wieder auf, dieses schreckliche Gefühl, sich ihrer körperlichen Veränderung schämen zu müssen. Die Art, wie Atlan sie anschaute, brachte Tuyula aus dem Konzept. Sie stammelte zusammenhanglos und sehnte sich gleichzeitig nach Garrons Nähe, in der sie mehr Selbstsicherheit spürte. „Du glaubst also, dass von ihm keine Gefahr ausgeht", fasste Atlan zusammen. „Genau das ... das wollte ich sagen."
„Mhogena hat mich ebenfalls darauf hingewiesen." Schwang so etwas wie der Hauch einer Entschuldigung in Atlans Stimme mit? „Aber ich darf kein Risiko eingehen, Tuyula, und ich hoffe, du verstehst meine Gründe. Selbstverständlich lasse ich Vincent Garron jede nur denkbare Unterstützung zukommen. Doch im Moment trage ich die Verantwortung für das Schiff und etliche tausend Mann Besatzung. Vergiss nicht, dass man sich in Chearth von uns Hilfe erwartet. Wenn dein Freund es wirklich ehrlich meint, wird er Verständnis haben.
Und wenn nicht ..."
„Er meint es ehrlich", ächzte Tuyula. Sie war immer noch aufgeregt. Aber sie versuchte, es vor Atlan zu verbergen.
9.
Der weitere Flug nach Chearth verlief ohne nennenswerte Zwischenfälle. Tuyula Azyk und der Gharrer Mhogena befassten sich intensiv mit dem Todesmutanten, dessen Wahnvorstellungen tatsächlich abzuklingen schienen. Gleichzeitig verstärkten sich seine Mutantenfähigkeiten weiter. Während des letzten Zwischenstopps der GILGAMESCH schaltete Tuyula mit Atlans Zustimmung den Anti-Esper-Schirm vollständig ab. Als Garron jedoch das „Rauschen" des Hyperraums vernahm, geriet er erneut in Panik und flüchtete, kehrte allerdings nach nicht einmal einer halben Stunde zurück.
Die Wissenschaftler um Myles Kantor beendeten zwei Tage vor der selbst gesetzten Frist ihre Versuchsreihen; ob sie wirklich erfolgreich gewesen waren, würde die nahe Zukunft erweisen. Am Freitag, dem 12. November 1290 NGZ, erreichte die GILGAMESCH die südliche, der Milchstraße zugewandte Peripherie von Chearth. Alles war sehr ruhig - zu ruhig, wie nicht nur Atlan befand. Den Galaktikern bot sich ein geradezu idyllisches Bild. Weder wurden massierte Raumschiffsbewegungen, besonderer außergalaktischer Hyperkomverkehr noch ungewöhnliche hyperenergetische Ereignisse geortet. Nach wie vor überlagerten die Zentrumsemissionen die Strahlung des Sonnentresors.
Chearth war eine Spiralgalaxis des Typs RSab, also mit beherrschendem Kern und eng angeschmiegten, aber schon gut ausgeprägten Spiralarmen. Ihr Durchmesser betrug 75.000 Lichtjahre. Längst waren Mhogenas Informationen zum Allgemeinwissen an Bord geworden. Chearth beheimatete eine Vielzahl von Völkern, jedoch beherrschten nur etwa zwei Dutzend Volksgruppen die überlichtschnelle Raumfahrt - sie waren größtenteils über die Koalition Thoregon informiert und lebten in friedlicher Koexistenz, nicht zuletzt dank der Gharrer und ihrer Fähigkeit der
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