1956 - Das Haus der Nisaaru
genau das Richtige, was du getan hast, Tuyula." Als sie das hörte, bereute sie sofort, es getan zu haben. Aber es war bereits zu spät.
Vincent ergriff ihre Hand und teleportierte.
Mhogena hatte inzwischen die ANUBIS durch die Personenschleuse verlassen. Draußen legte er seinen Druckanzug ab. Sofort zeigte sich, dass die Atmosphäre und die Schwerkraftbedingungen tatsächlich wie für ihn geschaffen waren. Befreit atmete der Gharrer auf; die Besatzung der ANUBIS konnte seine Bewegung über die Aufnahmegeräte erkennen. Mhogena drehte die weit oben am Kopf sitzenden Augen hinauf zu der Sonde, die über ihm schwebte. Der halslose, halbmondförmige Kopf war unbeweglich; deshalb waren die Augen im Lauf der Evolution so angeordnet, dass sie eine 360-Grad-Rundumsicht ermöglichten. Bei Mhogena gab es allerdings auf der linken Seite auf Grund des starren Auges einen blinden Fleck, doch daran war er längst gewöhnt.
Der Fünfte Bote hob kurz die Hand und machte sich dann auf den Weg zu Nisaarus Haus. Seine Wanderung wurde von der Besatzung der ANUBIS aufmerksam beobachtet. Hinter Mhogena begann erneut Nebel aufzuwallen, aber nicht so dicht, dass keine Sicht mehr möglich gewesen wäre.
Zusätzlich lieferte die Sonde in Mhogenas Nähe klare Bilder. Er selbst trug keinerlei technische Ausrüstung mehr an sich, denn „es gehörte sich nicht", wie er sich ausdrückte, Nisaarus Haus anders zu betreten. „Hoffentlich ist der Weg nicht zu weit, denn so gut zu Fuß ist er schließlich nicht mehr", meinte Suren. Die Entfernung konnte nur nach Augenmaß geschätzt, aber nicht gemessen werden. „Seht mal, es kommt ihm jemand entgegen." Rhoa deutete aufgeregt in Richtung des Knotengebildes. Tatsächlich tauchten elf Wesen auf, die sich rasch, fast schwebend, auf Mhogena zubewegten. Sie sahen von der Körperform her den Gharrern ähnlich, waren jedoch viel schlanker, filigraner, von ätherischem Glanz umgeben. Ihre Extremitäten waren ebenfalls schlank, die Arme bewegten sich schlangengleich, als hätten sie ein Eigenleben. „Das sind die Saarer", hörten die Arkoniden Mhogenas Stimme über die Sonde. „Sie empfangen mich, wie es Sitte ist. Ich bin sicher, dass ich bald mit Nisaaru sprechen kann."
Nisaarus Diener hatten den Meister des Sandes bald erreicht und gaben ihm Geleit zum Haus der Superintelligenz. Sie begrüßten Mhogena auf umständliche, geschraubte Weise; einige Sinjuil-Idioms konnten die Translatoren nicht übersetzen. Ihre Stimmen waren relativ hoch und klangen lispelnd. Mhogenas Antwort klang nicht minder kompliziert, angefüllt mit Floskeln. Trotzdem glaubte Hermon von Ariga herauszuhören, dass die Saarer nicht unbedingt erfreut über Mhogenas Erscheinen waren und ihn lieber dazu überreden wollten, wieder umzukehren.
Doch der Gharrer machte deutlich, dass er nicht den langen und weiten Weg unternommen habe, um es sich nun kurz vor dem Ziel anders zu über - legen. „Es ist sehr wichtig, dass ich mit Nisaaru spreche", betonte er. „Das habe ich von Anfang an klar ausgesagt. Es geht um die Zukunft Chearths, um unser aller Zukunft. Das betrifft somit auch euch, die Accolen und alle anderen Diener Nisaarus."
„Es gibt nur Accolen und Saarer, wie dir bekannt ist", lispelte einer der Diener. Keiner von ihnen schien einen Eigennamen zu besitzen; sie sprachen von sich stets in der Wir-Form. Sie brachten es auch fertig, dass einer von ihnen den Satz begann, ein anderer ihn nahtlos fortführte, ein dritter ihn beendete. „Es sollte euch interessieren, was ich zu sagen habe", fuhr Mhogena fort. „Natürlich ..."
„... wissen wir ..."
„... was vor sich geht."
„Aber ich habe Überlegungen, über die ich mit Nisaaru sprechen muss. Und ich hoffe auf ihren Rat."
„Wir haben dir gesagt, dass Nisaaru dir vielleicht nicht helfen können wird."
„Nisaaru ist die Macht von Chearth, der Atem der Galaxis. Ich kann nicht glauben, was ihr da sagt."
„Nun gut. Betritt das Haus und überzeuge dich selbst!" Die Arkoniden beobachteten gespannt, wie Mhogena seinen Weg unbeirrbar fortsetzte. „Ob die Superintelligenz zornig wird, wenn sie gestört wird?" stellte Suren mit halblauter Stimme Vermutungen an. „Unsinn!" widersprach Rhoa. „Weshalb wären wir dann soweit gekommen? Und die Erschaffung dieses Ortes geht bestimmt nicht auf das Konto der Saarer."
„Wir können nur abwarten", meinte Hermon beschwichtigend. Den restlichen Weg legte der Gharrer schweigend zurück. Die Saarer bedrängten ihn nicht mehr,
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