1969 - Grausame Götter
waren ihm zu eng, er konnte sich nicht damit abfinden, für immer aus der Enge seiner Gebetskammer mit den Göttern zu kommunizieren. Er wollte ihnen näher sein, ihnen durch die Weiten des Alls nachreisen zu den exotischen Stätten ihres Wirkens. Er wollte ihnen zu Ehren Taten setzen.
Auf Jangrun würde er verdorren, soviel er auch in Elcoxol baden mochte - was ihm mit zunehmendem Alter immer öfter gestattet wurde. Aber er merkte es daran, dass er verkümmerte, dass er seit seinem ersten Elcoxolbad keinerlei Vision mehr gehabt hatte. Damals war Nachto mit solcher Wucht aus ihm hervorgebrochen, dass er dachte, verbrennen zu müssen. Doch inzwischen waren die Baderituale zur Routine geworden, und er empfand nicht mehr dabei als lediglich körperliche Entspannung.
Er war siebzehn und hatte kein weiteres Gesicht mehr gehabt. Und er wurde achtzehn und neunzehn, und die Baderituale, soviel Mühe sich Gondanar auch gab, zeigten bei ihm weiterhin keine tiefergehende Wirkung. Gondanar war deswegen in großer Sorge um seinen Schützling. Der vergreiste Bruder glaubte, dass seine Stunde bald schlagen würde. Aber er wollte nicht von dieser Welt gehen, bevor Vilandos' Zukunft gesichert war. Darum sprach er bei Morfan ti Nosh vor und klagte ihm sein Leid, dass Vilandos sich geistig nicht weiterentwickelte. Irgendetwas schien ihn schwer zu bedrücken, aber das Schlimme daran war, dass er mit ihm, Gondanar, nicht darüber reden wollte.
Der Klostervorsteher hatte auch schon von anderen Brüdern gehört, dass Vilandos ein zurückgezogenes Leben führte und zu niemandem im Kloster Kontakte pflegte. Zur Außenwelt, gar zu den Eingeborenen, hatte er sowieso keine Beziehung, denn die Jangruner hielten ihn für eine Inkarnation des Bösen, seit er vor Jahren eine junge Eingeborene hatte grün bluten lassen. Daran erinnerte sich der Scoctore wieder, als Gondanar wegen Vilandos bei ihm vorsprach, und er erinnerte sich auch gut daran, wie beeindruckt er von der Rechtfertigung des Jungen für seine Tat gewesen war. Darum versprach er Gondanar, sich Vilandos vorzunehmen, obwohl ihn solche Bagatellen eigentlich nicht zu kümmern hatten.
So kam es, dass Vilandos zum Klostervorsteher gerufen wurde. Dieser wollte von ihm wissen, ob er seinen Glauben verloren habe oder was denn sonst daran schuld war, dass er ein so kümmerliches Leben führte. „Ich trage eine große Sehnsucht in mir, die bisher unerfüllt geblieben ist", gestand Vilandos. Und er erzählte dem Scoctoren, was diese unerfüllte Sehnsucht war. Vilandos' große Vorbilder waren die Missionare, die als Rogoren, Carista und Pashanga auszogen, die Ungläubigen des Universums zum wahren Glauben zu bekehren. Er verschlang alle Berichte, die die Mauern des abgelegenen Klosters durchdrangen. Er litt mit den Märtyrern, die durch die Hand von Wilden auf fernen Welten für ihre Götter starben. Und er genoss die Triumphe, die Missionare feierten, wenn sie Ungläubige auf den rechten Weg brachten. Auf diese Weise konnte Vilandos den Klostermauern zumindest zeitweise entfliehen und davon träumen, als Pashanga die Götzen ungläubiger Wilder in die Verdammnis zu schicken.
Morfan ti Nosh hatte Verständnis für die Sehnsüchte des jungen Mannes. Auch er hatte solche in jungen Jahren verspürt, bevor er erkannte, dass man den Göttern auf vielerlei Weise dienen konnte - auch aus der Gebetszelle einer unbedeutenden Mission heraus...
Morfan ti Nosh machte Vilandos keine Zusagen, aber er versprach, über seinen Fall nachzudenken. Es war am Vorabend seines zwanzigsten Geburtstages, als Vilandos den Bescheid des Klostervorstehers erhielt, dass er nach Kylenad versetzt werden sollte, einer heiß umkämpften Randwelt an der Grenze zum Prokiden-Reich. Vilandos konnte sein Glück nicht fassen, Gondanar dagegen zeigte. Trauer, denn es bedeutete einen Abschied für immer von seinem Schützling, davon war er .überzeugt. Aber er wollte das letzte Baderitual zu Vilandos' zwanzigstem Geburtstag wenigstens zu einem unvergesslichen Erlebnis für beide gestalten.
Und das wurde es in der Tat. Als das Elcoxol Vilandos' Haut umspülte, da spürte er sogleich etwas in ihm aufgehen, einer Blüte gleich, die sich den Morgenstrahlen der Sonne öffnete, aber viel kraftvoller, gleichsam elementar. Diese Kraft drängte ungestüm aus Vilandos' Innerstem nach draußen, sie machte ihn groß und mächtig. Sie ließ ihn schweben und fliegend das All durcheilen, von Stern zu Stern, zu allen bewohnten Planten der Galaxis
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