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1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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zu beobachten; Derek raste die Church Street auf und ab, und Raymond und Eric sprangen in den Wagen.
    Der Kellner kam mit einem silbernen Tablett mit Bier und drei Fladenbroten.
    Ich erinnerte mich daran, daß die Box-Brüder wegen eines Raubüberfalls auf den Postzug aus Edinburgh in den Knast gingen, daß Eric nur wenige Wochen vor Ablauf der Haftstrafe gestorben war, daß Raymond nach Kanada oder Australien gegangen war und daß Derek sich für den Vietnam-Krieg gemeldet hatte.
    Derek und Paul rupften ihre Flans auseinander und wischten ihre Schüsseln sauber.
    »Hier«, sagte Derek Box und warf mir ein halbes Fladenbrot zu.
    Nachdem er fertig war, lächelte er, zündete sich eine Zigarre an und schob seinen Stuhl vom Tisch zurück. Er zog kräftig an seiner Zigarre, begutachtete die Glut, atmete aus und fragte:
    »Waren Sie ein Bewunderer von Barrys Arbeit?«
    »Ja.«
    »Was für eine Schande.«
    »Ja«, sagte ich; die Lichter spiegelten sich in den Schweißperlen auf Derek Box’ hellem Haaransatz.
    »Wirklich schade, daß sein Werk unvollendet bleibt, so vieles, das noch nicht veröffentlicht ist, finden Sie nicht?«
    »Ja. Ich meine, ich weiß nicht …«
    Paul reichte mir das Ronson herüber, damit ich mir eine Zigarette anstecken konnte. Ich atmete tief ein und versuchte meine rechte Hand zu entspannen. Sie tat höllisch weh.
    »Woran arbeiten Sie gerade, Mr. Dunford, wenn ich fragen darf?«
    »Am Mord an Clare Kemplay.«
    »Entsetzlich«, seufzte Derek Box. »Einfach entsetzlich. Mir fehlen die Worte. Und an was noch?«
    »Das ist alles.«
    »Wirklich? Sie setzen also den Kreuzzug Ihres verstorbenen Freundes nicht fort?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Ich war in dem Glauben, daß Sie im Besitz der Akten dieses großartigen Mannes seien.«
    »Wer hat Ihnen das gesagt?«
    »Ich bin kein Spitzel, Mr. Dunford.«
    »Ich weiß, das habe ich auch nicht behauptet.«
    »Ich höre Dinge, und ich kenne Leute, die Dinge hören.«
    Ich sah auf meine Gabel voller Reis hinunter, die kalt auf dem Teller lag. »Wen?«
    »Gehen Sie öfters im Strafford Arms was trinken?«
    »In Wakefield?«
    »Ja«, lächelte Box.
    »Nein, kann ich nicht behaupten.«
    »Nun, vielleicht sollten Sie das tun. Oben gibt es einen privaten Club, ein wenig so wie Ihr Presseclub. Ein Ort, an dem sich ein Geschäftsmann wie ich und ein Polizeioffizier in einer weniger offiziellen Umgebung zusammensetzen können. Mal alle fünfe gerade sein lassen, sozusagen.«
    Ich sah mich plötzlich auf dem Rücksitz meines eigenen Wagens, das schwarze Polster feucht vor Blut, und vor mir ein großer Mann mit Bart, der fuhr und zu Rod Stewart mitsang.
    »Alles in Ordnung?« fragte Box.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht interessiert.«
    »Das werden Sie schon noch«, sagte Box und blinzelte mit seinen kleinen wimpernlosen Augen.
    »Ich glaube nicht.«
    »Gib’s ihm, Paul.«
    Paul griff unter den Tisch, brachte einen dünnen braunen Umschlag zum Vorschein und warf ihn über die dreckigen Teller und leeren Pints.
    »Öffnen Sie«, forderte mich Box auf.
    Ich nahm den Umschlag, schob die linke Hand hinein und fühlte die vertraute Glätte von Photovergrößerungen.
    Ich sah über das weiße Tischtuch zu Derek Box und Paul hinüber, Bilder von kleinen Mädchen mit angenähten schwarzweißen Flügeln schwammen durch mein mittägliches Bier.
    »Na, schauen Sie schon rein, verdammt.«
    Ich hielt den Umschlag mit dem grauen Verband fest und zog mit der linken Hand langsam die Photos heraus. Ich schob die Teller und Schüsseln beiseite und legte die drei Schwarzweißvergrößerungen auf den Tisch.
    Zwei nackte Männer.
    Derek Box grinste mit seinem Strichmund.
    »Wie ich höre, stehen Sie eher auf Mösen, Mr. Dunford. Daher entschuldige ich mich für den Inhalt dieser Schnappschüsse.«
    Ich schob die Bilder auseinander.
    Arthur Francis Anderson, der den Schwanz eines alten Mannes lutschte.
    »Wer ist das?« fragte ich.
    »Ach ja, wie tief doch die Mächtigen gefallen sind«, seufzte Derek Box.
    »Die Aufnahmen sind nicht sehr scharf.«
    »Ich denke, Sie werden feststellen, daß sie für den Stadtrat und ehemaligen Ratsherren William Shaw, Bruder des berühmteren Robert Shaw, scharf genug sind, sollten Sie je den Wunsch verspüren, ihm ein paar Schnappschüsse für sein Familienalbum zu überlassen.«
    Der alte Körper war besser zu erkennen, der schlaffe Bauch, die dürren Rippen, das weiße Haar und die Grübchen.
    »Bill Shaw?«
    »Tut mir leid, ja«, sagte Box

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