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1976 - Das Jesus-Papier

1976 - Das Jesus-Papier

Titel: 1976 - Das Jesus-Papier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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neben seinem linken Fuß herum, verlor dabei das Gleichgewicht. Der Stock wurde ihm dabei aus der Hand gerissen, polterte in die Dunkelheit davon. Er tastete nach einem Ast, um seinen Sturz abzubremsen; der Ast brach ab, löste sich von seinem Stamm. Auf einem Knie benutzte er den Ast, um sich vom Boden abzustoßen. Sein Stock war verschwunden, er konnte ihn nicht sehen. Er hielt sich an dem Aststück fest und bahnte sich seinen Weg durch das Blattwerk bis an den Rand des Wassers.
    Der Bach kam ihm schmaler vor, als er ihn in Erinnerung hatte. Dann wurde ihm klar, daß die graue Dunkelheit und der zugewachsene Wald ihn so erscheinen ließen. Drei Jahrzehnte, in denen sich niemand darum gekümmert hatte, hatten es dem Wald erlaubt, dem Wasser sein Daseinsrecht streitig zu machen.
    Der große Felsblock war zu seiner Rechten, stromaufwärts, höchstens sechs Meter entfernt, aber das Buschwerk dazwischen war so dicht, daß es ebensogut eine halbe Meile hätte sein können. Er begann sich vorsichtig darauf zuzutasten, duckte sich, richtete sich wieder auf und schob das Unterholz vor sich auseinander. Jede Bewegung kostete ihn Mühe. Zweimal stieß er gegen harte Hindernisse in der Erde, zu hoch, zu dünn und zu eng, als daß es Felsbrocken hätten sein können. Er richtete den Lichtkegel der Taschenlampe nach unten; die Hindernisse waren Eisenstangen, verrostet wie Überreste einer versunkenen Galeone.
    Jetzt erreichte er den Sockel des großen Felsens; er ragte über das Wasser. Er blickte nach unten. Und seine Lampe erleuchtete die Grenze zwischen der Erde und dem fließenden Strom, und er erkannte, daß die Jahre ihn vorsichtig gemacht hatten. Die Entfernung bis zum Wasser betrug nur wenige Fuß, aber jetzt kamen sie ihm wie ein Abgrund vor. Er schob sich seitlich an den Bach heran und stocherte mit dem Aststück, das er in der linken Hand hielt, im Bachbett herum.
    Das Wasser war kalt - soweit er sich erinnerte, war es immer kalt - und reichte ihm jetzt bis zu den Schenkeln, schlug ihm unter dem Korsett bis zur Hüfte, jagte eisige Schauer durch seinen Körper. Er schauderte und verfluchte die Jahre.
    Aber er war hier. Das war alles, worauf es ankam.
    Er richtete die Taschenlampe auf den Felsen. Er war einige Fuß vom Ufer entfernt: Victor mußte Ordnung in seine Suchaktion bringen. Er konnte zu viele Minuten damit vergeuden, die eine oder andere Stelle zwei- oder dreimal zu untersuchen, weil er sich nicht daran erinnern konnte, sie untersucht zu haben. Er war ehrlich zu sich selbst: Er war nicht sicher, wie lange er die Kälte würde ertragen können.
    Er griff nach oben, preßte das Ende des Aststücks in die Oberfläche des Felsens. Das Moos, das ihn bedeckte, löste sich leicht. Im grellen weißen Strahl der Taschenlampe sah die Oberfläche des Felsblocks wie Tausende von winzigen Kratern und Schluchten aus.
    Sein Puls beschleunigte sich, als er die ersten menschlichen Spuren wahrnahm. Sie waren schwach, kaum sichtbar, aber sie waren da. Und es waren seine Spuren, mehr als ein halbes Jahrhundert alt. Nach unten führende Striche, die tief in den Felsen eingekratzt waren als Teil eines lang vergessenen Spiels aus seiner Knabenzeit.
    Das V war der deutlichste Buchstabe; er hatte dafür gesorgt, daß sein Zeichen unverkennbar war. Dann kam ein b, gefolgt von etwas, das vielleicht Ziffern hätten sein können, und ein t, wieder gefolgt von etwas, das wahrscheinlich Ziffern waren. Er hatte keine Ahnung, was sie bedeuteten.
    Er schälte das Moos über und unter den Kratzern ab. Es gab andere schwache Markierungen; einige schienen eine Bedeutung zu haben. Hauptsächlich Initialen, hier und dort, primitive Zeichnungen von Bäumen und Pfeile und Viertelkreise, die Kinder gezeichnet hatten.
    Seine Augen mühten sich im grellen Licht der Taschenlampe; seine Finger schälten und rieben und überstrichen eine immer größer werdende Fläche. Er machte zwei senkrechte Striche mit dem Ast, um zu zeigen, wo er gesucht hatte, und trat weiter in das kalte Wasser hinaus. Aber bald wurde ihm die Kälte zuviel, und er kletterte ans Ufer, suchte Wärme. Seine Hände und Arme und Beine zitterten vor Kälte und dem Alter. Er kniete sich im feuchten Blattwerk nieder und sah zu, wie der Dampf seines Atems sich in der Luft auflöste.
    Dann ging er ins Wasser zurück zu der Stelle, wo er aufgehört hatte. Das Moos war dicker; er fand darunter einige weitere Markierungen, ähnlich jenen ersten näher am Ufer. V und b und t und ganz schwache

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