1976 - Das Jesus-Papier
eilte auf den Ausgang zu. Draußen rannte er auf ein wartendes Taxi zu, stieg ein und nahm sich den Bart ab.
»Flughafen Orly, bitte.«
»Ich heiße Llewellyn!« rief er dem Angestellten der Air Afrique an dem Pult des Flugsteigs zu. »Tut mir leid, ich habe mich verspätet. Habe ich es noch geschafft?«
Der Neger mit dem freundlichen Gesicht lächelte und erwiderte mit französischem Akzent: »Gerade noch, Monsieur. Wir haben gerade den letzten Aufruf. Haben Sie Handgepäck?«
»Nichts.«
Um dreiundzwanzig Minuten nach zehn rollte der Air-Afrique-Flug nach Rom zur Runway 7. Um zehn Uhr achtundzwanzig schwebte die Maschine in der Luft. Sie hatte sich dreizehn Minuten verspätet.
Der Mann, der sich Llewellyn nannte, saß am Fenster, den Buschhut zu seiner Linken auf dem leeren Erster-Klasse-Sessel. Er spürte, wie das Mastix an seinem Kinn sich langsam verhärtete und rieb sich in einer Art von Staunen darüber.
Er hatte es geschafft. Er war untergetaucht.
Der Mann in dem hellbraunen Mantel ging um zehn Uhr neunundzwanzig an Bord des SAS-Fluges nach Stockholm. Der Abflug hatte sich verzögert. Während er auf das Economy-Abteil zuging, kam er an dem modisch gekleideten Passagier in dem langen weißen Mantel und der dazu passenden weißen Baskenmütze vorbei. Er dachte bei sich, daß der Mann, den er beschattete, ein Idiot war. Für was hielt der sich eigentlich, so herumzulaufen?
Um zehn Uhr fünfzig schwebte die Maschine nach Stockholm in der Luft. Sie hatte sich zwanzig Minuten verspätet, das war nicht ungewöhnlich. Der Mann im Economy-Abteil hatte den Mantel ausgezogen und saß in der vorderen Hälfte der Kabine, schräg hinter seiner Zielperson. Wenn die Vorhänge geöffnet waren - wie es jetzt der Fall war - konnte er die Zielperson deutlich sehen.
Zwölf Minuten nach dem Start schaltete der Pilot das Anschnallzeichen ab. Die modisch gekleidete Zielperson in der ersten Klasse erhob sich von ihrem Sitz und zog den langen weißen Mantel und die dazu passende weiße Mütze aus.
Der Mann schräg hinter ihm im Economy-Abteil schoß in seinem Sitz nach vorn. »Scheiße«, murmelte er.
27
Andrew spähte mit zusammengekniffenen Augen durch die Windschutzscheibe auf die Tafel, die der gelbliche Lichtkegel seiner Scheinwerfer beleuchtete. Der Morgen dämmerte bereits, aber überall hing noch Nebel.
MILANO 5 KIL.
Er war die ganze Nacht durchgefahren, nachdem er in Rom den schnellsten Wagen gemietet hatte, den er finden konnte. Die nächtliche Fahrt verringerte das Risiko, verfolgt zu werden.
Aber er hatte sowieso nicht damit gerechnet, daß man ihn verfolgen würde. Im Rock Creek Park hatte Greene gesagt, er sei markiert worden. Was der Jude nicht wußte, war, daß das Büro des Inspector General ihn bereits am Flughafen hätte verhaften können, wenn sie ihn so dringend haben wollten. Das Pentagon wußte genau, wo er war. Ein Telegramm des Secretary of the Army hatte ihn aus Saigon zurückgeholt.
Der Befehl, ihn festzunehmen, war also noch nicht erteilt worden. Daß das binnen Tagen, vielleicht sogar binnen Stunden geschehen würde, war jetzt nicht wichtig; natürlich würde es dazu kommen. Aber er war der Sohn von Victor Fontine. Das Pentagon würde nicht überstürzt einen formellen Haftbefehl ausstellen. Die Army brachte nicht ohne weiteres Anschuldigungen gegen einen Rockefeller oder einen Kennedy oder einen Fontine vor. Das Pentagon würde darauf bestehen, die Eye-Corps-Offiziere zuerst zu vernehmen, um stützendes Beweismaterial in die Hand zu bekommen. Das Pentagon würde nichts dem Zufall oder gar dem Irrtum überlassen.
Was bedeutete, daß er Zeit zur Flucht hatte. Bis die Army soweit war, daß sie handeln konnte, würde er sich bereits in den Bergen befinden und eine Kassette aufspüren, die die Spielregeln in einem Maße ändern würde, wie sie noch nie geändert worden waren.
Andrew trat auf das Gas. Er brauchte Schlaf. Ein Profi wie er wußte, wann der Körper nach Ruhe hungerte, und wenn er noch so aufgeputscht war, wußte, wann die Augen sich ihrer Höhlen bewußt wurden. Er würde sich eine kleine Pension oder einen Landgasthof suchen und den größten Teil des Tages schlafend verbringen. Am späten Nachmittag dann würde er weiterfahren, nach Norden, nach Campo di Fiori, und dort an einer Wand ein Gemälde finden. Den ersten Hinweis auf der Suche nach einer Kassette, die in den Bergen vergraben war.
Er fuhr an den zerbröckelnden Pfeilern des Eingangstors vorbei, ohne die Fahrt zu
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