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1976 - Das Jesus-Papier

1976 - Das Jesus-Papier

Titel: 1976 - Das Jesus-Papier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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hat.«
    »Den ohne Beine?«
    »Das wußte ich nicht.«
    Der Wagen war ein alter Fiat mit zerfetzten Polstern und zersprungenen Seitenfenstern. Der Hof der Goldonis lag zwölf bis fünfzehn Kilometer außerhalb der Ortschaft, meinte der Nachtwächter, an der westlichen Straße. Der Mann zeichnete ihm eine einfache Skizze auf. Es würde nicht schwer zu finden sein.
    Im Licht der Scheinwerfer war ein Staketenzaun zu sehen und dahinter die Umrisse eines Hauses. Und aus dem Haus strömte schwaches Licht, schien durch die Fenster und beleuchtete schwach die in Kaskaden herunterhängenden Äste von Fichten, die in Nähe der Straße vor dem alten Gebäude standen. Adrian nahm den Fuß vom Gashebel des Fiat und fragte sich, ob er anhalten und den Rest des Weges zu Fuß zurücklegen sollte. Brennende Lichter in einem Bauernhof um Viertel vor fünf Uhr früh war nicht das, was er erwartet hatte.
    Er sah die Telefonmasten. Hatte der Nachtwächter am Flughafen Goldoni angerufen und ihn darauf vorbereitet, einen Besucher zu empfangen? Oder pflegten in Champoluc Bauern normalerweise so früh aufzustehen?
    Er entschied sich dagegen, zu Fuß auf das Haus zuzugehen. Wenn der Nachtwächter angerufen hatte oder die Goldonis ihren Tag wirklich schon begannen, dann würde ein Automobil nicht so erschreckend wirken wie ein einzelner Mann, der leise aus der Nacht kam.
    Adrian bog in einen breiten Kiesweg zwischen den hohen Fichten; es gab keine andere Einfahrt für einen Wagen. Er hielt schließlich parallel zum Haus. Der Kiesweg führte weiter in das Anwesen hinein, endete an einer Scheune. Durch die offenen Scheunentüren konnte man landwirtschaftliches Gerät im Licht seiner Scheinwerfer sehen. Er stieg aus dem Wagen, ging an den beleuchteten Vorderfenstern vorbei, die mit Vorhängen bedeckt waren, auf die Haustür zu. Es war die typische Tür eines Bauernhauses - breit und dick, und ihr Oberteil war ein Stück für sich, vom unteren geteilt, um die Sommerbrise hineinzulassen und die Tiere draußen zu halten. In der Mitte war ein schwerer, alt wirkender Bronzeklopfer befestigt. Er benutzte ihn.
    Er wartete. Drinnen war keine Antwort zu hören, keinerlei Geräusche, die auf Bewegung deuteten.
    Er klopfte noch einmal, lauter, mit langen Zwischenräumen zwischen den scharfen, metallischen Schlägen.
    Jetzt war hinter der Tür ein Geräusch wahrzunehmen. Undeutlich, kurz. Ein Rascheln von Tuch oder Papier. Eine Hand, die an Stoff kratzte? Was?
    »Bitte«, rief er höflich. »Mein Name ist Fontine. Sie haben meinen Vater gekannt und den Vater seines Vaters. Aus Mailand. Aus Campo di Fiori. Bitte, lassen Sie mich mit Ihnen sprechen! Ich will Ihnen nichts zuleide tun.«
    Nur Schweigen. Nichts.
    Er trat zurück ins Gras und ging zu den beleuchteten Fenstern. Er preßte sein Gesicht gegen das Glas und versuchte, durch den weißen Vorhang dahinter zu sehen. Sie waren so gerafft, daß sie undurchsichtig blieben. Die undeutlichen Bilder drinnen wurden durch das dicke Glas des Fensters noch weiter verzerrt.
    Dann sah er es, und einen Augenblick lang glaubte er -während seine Augen sich an die undeutlich verzerrten Umrisse anpaßten -, er hätte zum zweitenmal in dieser Nacht den Verstand verloren.
    Im äußersten linken Teil des Zimmers war die Gestalt eines Mannes ohne Beine zu sehen, der in kurzen, krampfhaften Zuckungen über den Boden kroch. Der deformierte Körper war von den Hüften aufwärts hünenhaft und trug eine Art Hemd, das bei den mächtigen Beinstümpfen endete, und das, was von den Beinen übriggeblieben war, war von seiner weißen Unterhose verborgen. Der Beinlose.
    Alfredo Goldoni. Adrian sah jetzt zu, wie Goldoni sich zu einem dunklen Winkel an der anderen Wand schleppte. Er trug etwas in den Armen, hielt es an sich gepreßt, als wäre es eine Rettungsleine in schwerer See. Es war ein Gewehr, ein Karabiner mit großkalibrigem Lauf. Warum?
    »Goldoni! Bitte!« schrie Fontine am Fenster. »Ich möchte nur mit Ihnen reden. Wenn der Nachtwächter Sie angerufen hat, muß er Ihnen das gesagt haben.«
    Der Knall hallte wie Donner. Glas zersplitterte nach allen Richtungen, und die Fragmente bohrten sich durch Adrians Regenmantel und Jackett. Im letzten Augenblick hatte er gesehen, wie der schwarze Lauf sich hob, und war zur Seite getaumelt, hatte sein Gesicht mit den Händen geschützt. Dicke, ausgezackte Glassplitter übersäten wie hundert Eiszapfen seinen Arm. Wäre der dicke Pullover nicht gewesen, den er sich in Mailand gekauft

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