Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1976 - Das Jesus-Papier

1976 - Das Jesus-Papier

Titel: 1976 - Das Jesus-Papier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
Vom Netzwerk:
vertäuten das Seil an einer eisernen Winde mitten auf dem Deck und gaben dann den Männern auf dem Unterseeboot ein Signal.
    Das Manöver wurde wiederholt. Aber das zweite Tau war nicht der einzige Gegenstand, den man von dem Unterseeboot herüberschoß. An ihm hing eine Segeltuchtasche mit Metallringen, und von einem dieser Ringe ging ein dicker Draht aus, der zum U-Boot hinüberreichte.
    Die Korsen rissen das Segeltuchpäckchen auf und holten eine Art Schultergeschirr heraus. Fontini-Cristi erkannte es sofort. Es handelte sich um eine Anordnung von Gurten, wie man sie benutzte, um in den Bergen Felsspalten zu überqueren.
    Birne taumelte auf dem stampfenden Deck nach vorn, auf Vittorio zu.
    »Dabei kann einem zwar ziemlich schlecht werden, aber es ist sicher!« schrie er.
    Vittorio rief zurück: »Schicken Sie zuerst Apfel hinüber. Jemand sollte sich um seine Hand kümmern.«
    »Sie haben hier Priorität. Und außerdem, wenn das verdammte Ding nicht hält, würde ich das, ehrlich gestanden, lieber an Ihnen herausfinden.«
    Fontini-Cristi saß auf einer Pritsche im Inneren der kleinen stählernen Kammer und trank Kaffee aus der dicken Porzellantasse. Er zog sich die Decke von der Royal Navy um die Schultern und spürte die nassen Kleider darunter. Aber die Unbequemlichkeit machte ihm nichts aus. Er war dankbar dafür, allein zu sein. Die Tür der kleinen Kammer öffnete sich. Es war Birne. Er trug einen Armvoll Kleider, die er auf die Pritsche fallen ließ.
    »Da, damit Sie sich umziehen können. Wäre ja blöd, wenn Sie jetzt mit Lungenentzündung abkratzen würden. Sozusagen ganz schön beschissen, wie?«
    »Danke«, sagte Vittorio und stand auf. »Wie geht's Ihrem Freund?«
    »Der Schiffsarzt fürchtet, daß er die Hand nicht mehr gebrauchen kann. Er hat es ihm noch nicht gesagt.«
    »Tut mir leid. Ich war naiv.«
    »Ja«, pflichtete der Brite ihm ausdruckslos bei. »Sie waren naiv.« Er ging hinaus und ließ die Tür offenstehen.
    Aus den Korridoren aus Stahl vor der winzigen Kammer erhob sich plötzlicher Lärm. Männer rannten an der Tür vorbei, alle in dieselbe Richtung, wobei Fontini-Cristi nicht sagen konnte, ob nach vorn oder nach achtern. Über die Sprechanlage des Schiffes war ein durchdringendes, betäubendes Pfeifen zu hören. Metalltüren knallten, das Geschrei wurde lauter.
    Vittorio sprang auf und war mit einem Satz an der offenen Tür. Sein Atem stockte. Die Panik der Hilflosigkeit unter dem Meer hielt ihn gefangen.
    Er kollidierte mit einem britischen Matrosen. Aber das Gesicht des Matrosen zeigte keine Spur von Panik. Auch Angst nicht. Überhaupt nichts außer sorglosem Lachen.
    »Frohes Neujahr, Maat«, rief der Matrose. »Mitternacht, Kumpel! Jetzt haben wir 1940. Ein verdammtes neues Jahrzehnt!«
    Der Matrose rannte zum nächsten Schott, das er lärmend aufriß. Dahinter konnte Fontini-Cristi die Messe erkennen. Man konnte Männer mit Trinkgefäßen sehen, in die zwei Offiziere Whisky gössen. Das Geschrei ging in Gelächter über. Und dann erfüllte »Auld Lang Syne« die stählernen Kammern.
    Das neue Jahrzehnt.
    Das alte hatte mit Tod geendet. Tod überall, am schrecklichsten in dem blendenden weißen Licht von Campo di Fiori. Vater, Mutter, Brüder, Schwestern - die Kinder. Vorbei. Eine Minute alles zerschmetternde Gewalt, die sich in seinem Bewußtsein unauslöschlich eingebrannt hatte. Eine Erinnerung, mit der er den Rest seines Lebens verbringen würde.
    Warum? Wozu leben? Nichts ergab mehr einen Sinn.
    Und dann erinnerte er sich. Savarone hatte gesagt, er wäre nach Zürich gefahren. Aber er war nicht nach Zürich gefahren, er war woanders gewesen.
    Darin lag die Antwort. Aber welche?
    Vittorio kehrte in die kleine stählerne Kammer des Unterseeboots zurück und setzte sich auf die harte Bettkante.
    Das neue Jahrzehnt hatte angefangen.
Teil zwei
6
    2. JANUAR 1940 LONDON, ENGLAND
    Sandsäcke.
    London war eine Stadt der Sandsäcke. Überall. In Türnischen, Fenstern, Ladeneingängen, sorgsam an Straßenecken aufgetürmt. Der Sandsack war das Symbol. Auf der anderen Seite des Kanals hatte Adolf Hitler die Vernichtung von ganz England gelobt. Die Engländer schenkten seiner Drohung Glauben und stählten sich still und fest in Erwartung dessen, was da kommen würde.
    Vittorio hatte den Militärflugplatz von Lakenheath spät in der vergangenen Nacht erreicht, dem ersten Tag des neuen Jahrzehnts. Man hatte ihn aus einem Flugzeug ohne Hoheitszeichen geholt, das aus Mallorca gekommen war und

Weitere Kostenlose Bücher