1976 - Das Jesus-Papier
Sektoren gearbeitet, General. Der katholische Einfluß ist stark.«
»Fontine ist kein religiöser Mann. Worauf, zum Teufel, wollen Sie hinaus?«
»Genau auf das. Alles ist eine Frage des Ausmaßes, nicht wahr? Man ist niemals einfach dies oder einfach das. Ganz besonders trifft dies auf einen Mann zu, der so mächtig war. Ich habe mir seine Akte angesehen. Wir haben Fotokopien von jeder Einzelheit, die wir in die Finger bekommen konnten. Inklusive seiner Heiratsurkunde. Unter der Spalte >Glaubensbekenntnis< hat er nur ein Wort eingesetzt: >christlich<.«
»Kommen Sie zur Sache.«
»Ich bin dabei. Eines führt immer zum anderen. Eine ungemein wohlhabende, mächtige Familie in einem katholischen Land, und der einzig überlebende Sohn leugnet ganz bewußt jede Beziehung zu der Kirche dieses Landes.«
Teagues Augen verengten sich. »Weiter, Captain.«
»Er leugnet sie wirklich. Vielleicht unbewußt, das wissen wir nicht. >Christlich< ist keine Konfession. Wir haben die falschen Italiener gesucht und die falschen Akten herausgezogen.« Stone hob den Umschlag mit der linken Hand, löste ein Band davon und klappte ihn auf. Er holte einen Zeitungsausschnitt heraus, eine Fotografie eines barhäuptigen Mannes mit einer weißen Strähne im dunklen Haar. Der barhäuptige Mann trug den schwarzen Talar der Kirche. Das Bild war am Altar von Sankt Peter aufgenommen. Der Mann kniete vor dem Kreuz.
Über ihm war ein Paar ausgestreckter Hände. Sie hielten die Mitra eines Kardinals.
»Mein Gott!« Teague blickte zu Stone auf.
»Die Vatikanakten. Wir führen Aufzeichnungen über alle Beförderungen in der Kirche.«
»Aber dies...«
»Ja, Sir. Der Mann heißt Guillamo Donatti. Er ist einer der mächtigsten Kardinäle in der Kurie.«
10
MONTBELIARD
Das Flugzeug setzte zu einer Kehre von neunzig Grad an. Sie befanden sich in tausend Meter Höhe, die Nacht war klar, und der Wind fegte mit solcher Gewalt an der offenen Luke vorbei, daß Fontine dachte, er würde nach draußen gezerrt werden, ehe das rote Licht über ihm verlosch und vom plötzlichen grellen Schein der weißen Lampe ersetzt wurde, der sein Signal zum Sprung war. Er packte die Handgriffe zu beiden Seiten der Luke und stemmte sich ein. Seine dicken Stiefel preßten sich gegen das stählerne Deck des Haviland-Bombers. Er wartete auf das Zeichen.
Er dachte an Jane. Zuerst hatte sie heftig widersprochen. Sie hatte sich ihre Position im Air Ministry verdient, Wochen und Monate von »einfach verdammt harter Arbeit« wurden ihr jetzt im Laufe von Stunden einfach weggenommen. Und dann hörte sie plötzlich auf, sah, dessen war er sicher, den Schmerz in seinen Augen. Sie wollte ihn zurückhaben. Wenn Isolierung auf dem Land seiner Rückkehr half, würde sie gehen.
Auch an Teague dachte er. Zum Teil an das, was er gesagt hatte, hauptsächlich aber an das, was er nicht gesagt hatte. MI 6 hatte Hinweise auf den deutschen Henker, das Monstrum mit der weißen Strähne im Haar, den Mann, der kalt die Schrecken von Campo di Fiori beobachtet hatte. Man vermutete, daß er ein hochrangiges Mitglied von Himmlers Geheimpolizei war, ein Mann, der sich weit im Hintergrund hielt und nie damit rechnete, identifiziert zu werden. Jemand vielleicht, der im deutschen Konsulat in Athen eingesetzt gewesen war.
»Nahm an - vielleicht«. Worte der Unsicherheit. Teague unterschlug Informationen. Trotz all seiner Erfahrung konnte der Abwehrmann das nicht verbergen. Er wirkte auch nicht völlig überzeugend, als er subtil auf ein Thema zu sprechen kam, das mit wenig von dem, was bisher besprochen worden war, zu tun hatte: »...das ist allgemein üblich, Fontine. Wenn ein Mann einen Einsatz antritt, registrieren wir seine Konfession. So wie man einen Geburtsschein überprüft oder einen Paß... «
Nein, er gehörte im formellen Sinn keiner Konfession an. Nein, er war nicht katholisch, und das war auch nicht ungewöhnlich. Es gab Nichtkatholiken in Italien. Ja, Fontini-Cristi ließ sich grob als >Quellen-Christi< übersetzen, zumindest auf dem Umweg über das Kirchenlatein.
Ja, seine Familie war jahrhundertelang mit der Kirche verbündet gewesen, hatte aber vor ein paar Jahrzehnten mit dem Vatikan gebrochen. Aber er maß diesem Bruch keine ungewöhnliche Bedeutung bei; er dachte nur selten daran.
Was wollte Teague?
Das rote Licht verlosch. Victor beugte die Knie, wie er es gelernt hatte, und hielt den Atem an.
Die weiße Lampe flammte auf. Dann kam das Klopfen -scharf, sicher, massiv. Fontine
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