1980 Die Ibiza-Spur (SM)
Erscheinen an diesem Ort war ein Wagnis, weil zu vermuten stand, daß eine über Staatsgrenzen hinaus operierende Organisation wie die Guillermo Hentschels auch dort einen Posten in Bereitschaft hielt. Darum war er besorgt, man könne ihn entdecken, und darum auch hatte er sich schon im Auto von Christiane verabschiedet, ihr lange durch die gläsernen Türen hindurch nachgeblickt, bis sie in einer Gruppe von Touristen verschwunden war. Dann hatte er den Peugeot aus der Zone der Betriebsamkeit herausgefahren, und nun stand das Auto auf dem Parkplatz, von der Eingangstür des Flughafengebäudes weit entfernt.
Er saß am Steuer und rauchte, hatte das Seitenfenster heruntergekurbelt und sah, nur geringfügig getarnt durch eine Sonnenbrille, an dem kleinen Quaderbau vorbei auf das Rollfeld, auf dem die aus Hamburg kommende Maschine dem Plan nach in fünf Minuten landen sollte. Etwa eine halbe Stunde später würde Christiane an Bord gehen, doch vorher stand etwas anderes auf dem Programm, etwas, das ihn mit Genugtuung, ja, mit Freude erfüllte, die Ankunft Jupp Maschkes, eines von Naumann entsandten Reporters, den der Redakteur auf seinen Einwand, es sollten doch lieber zwei kommen, mit der Bemerkung charakterisiert hatte. Der zählt für zwei! Des weiteren hatte Naumann berichtet, der Mann sei Mitte vierzig, spreche fließend englisch und spanisch, sei zur Zeit des Allende-Sturzes in Chile gewesen, danach in verschiedenen Krisengebieten Afrikas und zuletzt wieder auf dem lateinamerikanischen Kontinent, in El Salvador. Und dann hatte Naumann gesagt: »Ein paar Ferientage auf Ibiza werden ihm guttun.« Darauf hatte Klaus Hemmerich ihm geantwortet, dann möge er doch darauf achten, daß der Mann auf keinen Fall Badehose, Sonnenschirm und Gummi-Ente vergesse. Diese Sprache hatte Naumann verstanden, denn seine nächsten Worte waren sehr verbindlich ausgefallen. »Beruhigen Sie sich, Hemmerich«, hatte er gesagt, »Sie kriegen immerhin unseren zweitbesten Mann!« Und auf die Gegenfrage, wieso denn nicht den besten, hatte seine Erwiderung gelautet: »Den wollen Sie doch gerade da herausholen.«
Ab und zu warf er einen Blick in die Runde, genauso wie vor zwei Tagen, als er den Seat abgeliefert hatte und über den Parkplatz zu Christiane ging. Auch jetzt entdeckte er nichts Beunruhigendes.
Um zehn nach drei hörte er das Flugzeug, und kurz darauf sah er es landen. Aber dann dauerte es noch ziemlich lange, bis die ersten Passagiere die Halle verließen.
Hemmerich wußte: Maschke hatte seine Anweisungen. Er sollte gleich zum Parkplatz durchgehen, den blauen Peugeot suchen, sich die Nummer ansehen und, wenn es die richtige war, einfach die Beifahrertür öffnen, sein Gepäck auf den Rücksitz werfen und einsteigen.
Nach einigen weiteren Minuten, konnte Hemmerich beobachten, wie sich aus der geballten Geschäftigkeit von Passagieren, Gepäckträgern, Taxichauffeuren und der Ansammlung von Autos und Koffern ein einzelner Mann herauslöste und langsam auf den Parkplatz zukam. Er war untersetzt, trug eine graue Hose und ein weißes Hemd, hatte eine leichte Jacke über der Schulter hängen und hielt in den Händen sein Gepäck, ein Bordcase und eine kleine schwarze Ledertasche. Auch er trug eine Sonnenbrille, aber gewiß nicht zur Tarnung, sondern wegen der Sonne.
Nach einer Weile verschwand der Mann aus Hemmerichs Blickfeld, aber kurz darauf öffnete sich die Tür des Peugeot.
»Hallo! Klaus Hemmerich?«.
»Ja. Bitte, steigen Sie ein!«
Der Mann legte Tasche und Bordcase auf dem Rücksitz ab, setzte sich, schloß die Tür. »Ich bin Maschke«, sagte er.
»Irre ich mich, oder kann es sein, daß ich eben Christiane gesehen habe, Victors Ex-Frau?«
Klaus startete. »Ja«, antwortete er. »Sie reist heute ab. Bis jetzt war sie es, die mir geholfen hat, aber letzte Nacht wurde es zu gefährlich, jedenfalls für Damen. Sie kennen sie?«
»Ja. Sie ist ein Klassemädchen, viel zu schade für einen Reporter. Aber es ging dann ja auch in die Brüche. Wohin fahren wir?«
»Nach San Antonio. Kennen Sie die Insel?«
»Leidlich. Ich war dreimal hier.«
»Könnten Sie sich mal umdrehen, um zu sehen, ob uns jemand folgt?«
Maschke warf einen Blick hinter sich. »Hab’ nicht den Eindruck«, sagte er. Dann sah er wieder nach vorn und fuhr fort: »Eine Insel im Umbruch. Vor zwanzig Jahren war ich zum erstenmal hier; da gab es diese alptraumhaften Kästen noch nicht.« Er zeigte voraus, dorthin, wo vor dem Hintergrund eines makellos blauen
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