1980 Die Ibiza-Spur (SM)
kommt es noch! Erst die eigenen Leute verraten und dann noch Samariterdienste verlangen! Er kann ihm Luft in die Venen spritzen, was anderes kommt nicht in Frage!«
»Dann eben nicht«, sagte Hemmerich. Unter diesen Umständen schien ihm eine Behandlung des Verletzten nicht ratsam. Wer konnte es wissen, vielleicht würde der Arzt tatsächlich Javiers mörderische Anweisung ausführen.
Es folgte ein umständliches Manöver. Der Arzt, von dem sie nicht wußten, ob er zur BRAUNEN KOLONNE gehörte oder vielleicht nur deshalb ausgewählt worden war, weil er in der Nachbarschaft der Hentschels wohnte, wurde in den Wald geführt. Hemmerich band ihm die Handfesseln los und sagte auf spanisch: »In fünf Minuten dürfen Sie anfangen, ihre Fußfesseln aufzubinden, und dann können Sie von mir aus zur Telefonzelle gehen.«
Javier kam in den Kofferraum des Peugeot, und Herles und Maschke nahmen wieder hinten Platz. Maschke hatte, als Hemmerich das Auto holte, den Jeep nach Waffen abgesucht, hatte im Handschuhfach einen BROWNINGBaby gefunden und ihn an sich genommen.
Sie fuhren los , und während das Auto sich im zweiten Gang den Hang hinaufmühte, dachte Hemmerich noch einmal an die andere Nacht, in der er sich Herles geholt und ihn in den Kofferraum gepackt hatte, und er sagte sich. Es sieht fast so aus, als wäre ich auf diese Insel gekommen, um zwischen ROCA LLISA und San Antonio Gefangene zu transportieren. Was für ein Scheiß-Job ist das! Aber dann dachte er an die dritte Geisel in diesem ibizenkischen Drama, die gefesselt zwischen einem Haufen Handgranaten und anderem Kriegsmaterial auf dem Kielboden der AURORA lag, und sagte sich. Was ich hier mache, ist in Ordnung, ist gut, Herles’ Qualen eingeschlossen und eingeschlossen auch das makabre Spiel mit den Vatergefühlen eines Guillermo Hentschel, das noch in dieser Nacht beginnt!
Sie kamen an den Schlagbaum. Hemmerich winkte wieder hinaus.
» Vino su visita? « fragte der Wächter. Ist Ihr Besuch gekommen?
» Sí « , rief Hemmerich. »Wir holen jetzt noch ein paar Gäste dazu.«
Er fuhr weiter, bog nach zweihundert Metern in die Landstraße ein, beschleunigte.
XXXII.
Die Beherbergung zweier Gefangener in dem kleinen Haus erwies sich als nicht ganz so problemlos, wie Hemmerich und Maschke angenommen hatten. Sie hatten den lodernden Zorn Javiers gegenüber seinem Komplicen nicht einkalkuliert. Nun war er offenkundig geworden, so daß Maschke beim Transport der Gefangenen ins Haus sagte:
»Wir können sie nicht zusammenlegen. Dieser furiose Ibero-Deutsche ist in der Lage, sich mit seiner Pritsche Zentimeter für Zentimeter an den anderen heranzuarbeiten und ihm dann wer weiß was abzubeißen. Dann haben wir hier ein Blutbad.«
So stellten sie für Javier im Wohnzimmer eine Liege auf, banden ihn daran fest, während Herles sein vertrautes Quartier wiederbekam.
Maschke und Hemmerich saßen im Schlafzimmer auf dem Fußende des breiten Bettes. Maschke sagte: »Das hat ja geklappt, als wäre die Menschenjagd unser Steckenpferd. Eins will ich dir aber lieber noch sagen, bevor du zu falschen Schlüssen kommst: Ich tu das alles nicht für Naumann, nicht für sein Blatt. Ich hab nicht vor, irgendwas über diese Clique hier zu schreiben; das ist Victors Story.«
»Ich glaube«, antwortete Klaus, »Victor hat, wenn er da erst mal heraus ist, was anderes im Kopf als seinen Artikel, zum Beispiel die Freude darüber, daß er am Leben und in Freiheit ist. Die Story tritt er dir bestimmt gern ab. Außerdem erwartet Naumann doch sicher eine Ausbeute von dir.«
»Soll er sie erwarten! Ich mach’ das alles für Victor. Dir ist doch wohl klar, daß von einem Balance-Akt am Rande der Legalität bei uns nicht mehr die Rede sein kann. Wir haben uns auf handfeste Kriminalität eingelassen. Aber wir haben ein dickes Motiv. Victor ist eins, für dich allemal, aber auch für mich.«
»Wir brauchen uns nicht zu rechtfertigen«, sagte Klaus, »jedenfalls nicht voreinander. Zugegeben, auch bei mir kommt es nicht so oft vor, daß ich irgendwo einen Invaliden als Köder auslege, um dann den Mann, der ihm helfen will, einzufangen. So was mach’ ich nur bei Leuten, die darauf aus sind, meine Familie oder Teile davon zu eliminieren. Also. Thema erledigt! Wie geht’s jetzt weiter?«
Maschke senkte die Stimme, um den im Nebenzimmer liegenden Javier nicht mithören zu lassen. »Hentschel anrufen. Ich glaube, es ist besser, wenn ich das mache. Von deiner Existenz weiß er, und ein neuer Mann ist
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