1980 Die Ibiza-Spur (SM)
des Clubs … Hab’ mich ein paar hundert Meter weit geschleppt. Bitte, Javier, beeil dich!«
»Okay, ich bin in zwanzig Minuten da. Mal sehen, vielleicht bringe ich Dr. Lozano mit.« Herles sah Maschke an, fragte ihn mit den Augen, und erst als er ihn heftig nicken sah, antwortete er: »Oh, das wäre gut! Er soll eine Morphiumspritze mitbringen.«
»Bis gleich, Rüdiger! Halt durch!«
»Danke.« Herles hängte ein.
Hemmerich nahm den Hörer und wählte die Nummer der Rezeption. Er sprach mit dem Pförtner, avisierte ihm Javiers Ankunft und bat ihn, den Jeep passieren zu lassen.
Maschke fuhr den Wagen ein Stück weiter, bis hinter die Biegung, wendete ihn, kam zurück. Dann setzten sie Herles vor die Glastür. Er legte sich sofort hin, auf die gesunde Schulter. Und noch einmal drohte Maschke:
»Wenn sie kommen und du warnst sie mit einem einzigen krummen Wort oder mit einem Zeichen, dann kriegst du nicht erst den Stein, sondern gleich die Kugel! Hier!« Er zog eine Pistole aus der Jackentasche, hielt sie Herles vors Gesicht. »Ist sogar deiner, der Ballermann. Hübsches Ding.«
»Darf der Arzt mich behandeln?« fragte Herles.
»Mal sehen«, sagte Maschke. »Wenn alles glatt verläuft und wir die Zeit haben, kriegst du dein Morphium.«
Hemmerich versteckte sich in der Nähe des Gefangenen hinter einem Busch, und Maschke stellte sich neben das Transformatorenhäuschen. Auch aus dieser Distanz war Herles ihnen sicher. Hemmerich konnte ihn von seinem Platz aus im Auge behalten. Der Mond war zwar mal wieder hinter einer dicken Wolke verschwunden, aber das Licht der Telefonzelle reichte aus.
Hemmerich trat noch einmal aus seinem Versteck heraus und an Herles heran. »Du darfst nicht liegen«, sagte er, half ihm auf und lehnte ihn mit der gesunden Schulter gegen die Kabinenwand. »Du weißt, wenn jemand kommt, einer der Nachtwächter oder ein Gast, der telefonieren will, dann sagst du einfach, du willst mit Deutschland sprechen, aber deine Leute sind nicht zu Haus, und nun sitzt du da und wartest. Also mußt du auch halbwegs zivilisiert aussehen und nicht da herumliegen wie ein Betrunkener.« Er verschwand wieder und sah von seinem Versteck aus auf die wenigen beleuchteten Häuser. Das nächstgelegene befand sich etwa sechzig bis achtzig Meter von seinem Standort entfernt. Er hoffte, daß nachher, wenn es so weit wäre, nicht zufällig jemand des Weges käme und die Aktion gefährdete. Nach einer Weile sah er weit entfernt Autoscheinwerfer aufblitzen. Javier konnte es nicht sein, es war noch zu früh. Das Licht verschwand auch bald wieder. Also war der Wagen abgebogen und zu einer der weiter vorn gelegenen Urbanizaciones gefahren.
Er sah auf die Uhr. Elf Minuten waren seit dem Gespräch mit Javier vergangen. Hoffentlich, dachte er, kommen sie nicht mit einem ganzen Einsatztrupp! Er war froh darüber, daß Maschke und er sich für den Club entschieden hatten und nicht für irgendeine Telefonzelle in Ibiza-Stadt, wo auf den Straßen immer Menschen waren. Erst jetzt ging ihm auf, daß sie dort schon aus einem ganz naheliegenden Grund mit Javiers Mißtrauen hätten rechnen müssen. Im Stadtgebiet hätte Herles sich statt zu einer Telefonzelle ebensogut zu einem Arzt oder zu einer Klinik, zumindest bis an ein Taxi schleppen können, und genau diese Überlegung hätte Javier natürlich auch angestellt. Sein profunder Zweifel wäre ihnen sicher gewesen.
Er sah hinüber zum Transformatorenhaus. Ganz schwach nur hob sich der helle Kubus von den dunklen Tannen ab. Maschke entdeckte er nicht.
Wieder ein Blick auf die Uhr. Fünfzehn Minuten seit Ende des Telefonats. Er merkte, daß seine Hände feucht waren, rieb sie an den Hosenbeinen trocken, tastete nach der WALTHER, die in seiner Jackentasche steckte. Er war zwar nicht frei von Nervosität, spürte die erregende Atmosphäre dieses erneuten nächtlichen Einsatzes, spürte sie vom Bauch her, aber die Unsicherheit, wie er sie in der Küche seines Bungalows empfunden hatte, war jetzt nicht mehr da. Natürlich lag das auch mit an Jupp Maschke, den er in dreißig Schritt Entfernung auf seinem Posten wußte. Es war ein gutes Gefühl, in einer solchen Nacht nicht allein zu sein.
Herles rührte sich nicht. Vielleicht, dachte Hemmerich, träumt er von schönen Tieren. Noch während der Fahrt hatten sie ihm fünfzig Tropfen VALORON gegeben, wenn auch nicht ohne Bedenken. »Vielleicht«, so hatte Maschke gesagt, »neigt er in der Euphorie zu Dummheiten, das Zeug reizt nämlich auch zum
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