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1980 Die Ibiza-Spur (SM)

1980 Die Ibiza-Spur (SM)

Titel: 1980 Die Ibiza-Spur (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Gespräch über ihn.
    Auch Christiane streckte sich aus.
»Warum habt ihr euch eigentlich getrennt?« fragte er.
    Victor hatte es ihm erzählt, aber er wollte es nun auch noch von ihr hören.
    »Das ist schnell erklärt«, antwortete sie. »Wir stellten beide fest, daß eine dauerhafte Bindung nicht zu uns paßt. Wir glaubten sogar, daß Menschen sich eher verlieren, wenn sie sich aneinander binden. Das kann man wohl nicht zur Regel machen, wollten wir ja auch gar nicht, wir wollten nur das tun, was unserer Meinung nach für uns das Richtige war.«
    »Ja, so hat Victor es mir auch erklärt. Und wie war es bei euch mit der Treue?«
»Wir waren uns immer treu, aber in einem anderen Sinn als dem üblichen. Der eine konnte felsenfest auf den anderen zählen, jederzeit auf seine Hilfe rechnen. Wenn du allerdings die landläufige Treue meinst, wonach die Lust auf einen anderen Partner verboten ist, dann haben wir uns mißverstanden. Diese Treue, die vielleicht gar keine ist, meine ich nicht. Ich weiß, das hört sich alles sehr zügellos an, und eigentlich war es das wohl auch, denn Zügel, die eben wollten wir nicht. Und du, warum hast du bis jetzt nicht geheiratet?«
»Weil ich in der Welt herumfahre.«
»Ja, und genau das kam bei uns ja auch noch hinzu. Victor war fast immer unterwegs.«
»Erzähl mir von ihm. Irgendwas. Etwas Spleeniges, Verrücktes, wenn’s geht. Darin war er ja wirklich groß.«
»Weißt du, was er machte, als er mir zum erstenmal ein Kleid schenkte?«
»Bestimmt was Ausgefallenes!«
»Ich hatte Geburtstag; das heißt, es war ungefähr zwei Wochen davor. Wir waren noch nicht verheiratet. Da kam er zu uns nach Uhlenhorst, tuschelte erst mal mit meiner Mutter in der Küche, und dann kam er in mein Zimmer. Zog einen langen weißen Schal aus seiner Manteltasche und verband mir die Augen. Als er damit fertig war, sagte er: ›So, nun hab keine Angst! Ich bleib immer neben dir und halte dich fest.‹ Er zog mich aus dem Zimmer, durch den Flur und auf die Straße und dann, sage und schreibe, durch halb Hamburg. Zu Fuß, mit dem Bus, wieder zu Fuß. Ich immer mit dieser Binde vor den Augen wie eine Geisel, die nicht wissen darf, wohin man sie bringt. Es war eine ganz irre Vorstellung, die wir den Leuten lieferten. Und die Reaktionen waren entsprechend: ›… muß sich verletzt haben …‹, ›… eine Blinde …‹,›… aber warum lachen die so?‹ Denn lachen, das mußten wir natürlich alle beide. Es war zu komisch, mein ängstliches Tasten mit den Füßen, die freie Hand ausgestreckt, weil ich immer dachte, gleich stoße ich irgendwo an. Und dauernd seine Sprüche: ›Geh nur!‹ ›Hab keine Angst!‹ ›Dir passiert nichts, ganz bestimmt nicht!‹ So schob er mich schließlich, als wir aus dem Bus gestiegen waren, durch die belebten Straßen der Innenstadt. Und dann in einen Laden. Und das war’s: Da sollte ich mein Geburtstagsgeschenk anprobieren, das ich vorher nicht sehen durfte. Ein Kleid. Das beigefarbene aus Fein-Cord. Ich weiß nicht, ob du es kennst.«
»Ja, das kenne ich. Du trugst es auf unserer Fahrt nach Triest.«
»Stimmt. Es ist so bequem. Darum trage ich es auf Reisen besonders gern. Den Aufstand in der Boutique werde ich nie vergessen. Ich mußte mich natürlich ausziehen, und meine ängstliche Frage: ›Ist es ein Verkäufer oder eine Verkäuferin?‹ löste Heiterkeit aus. Victor beschwichtigte mich, sagte, da seien nur Frauen. Dann ich: ›Wenn nun aber ein Kunde kommt? Ein Mann?‹ Ich stand nämlich nicht in einer Umkleidekabine, da wäre es viel zu eng gewesen für die komplizierte Anprobe, bei der der Schal nicht verrutschen durfte und das Mädchen mit Nadeln an mir herum steckte. Victors Antwort war wieder typisch: ›Na, und wenn nun wirklich ein Mann hereinkommt, der wird doch deswegen nicht böse sein.‹ Die ganze Prozedur dauerte mindestens eine halbe Stunde. Und dann der Rückweg! Meinst du, mir wäre der Schal vor den Augen nun erlassen worden? Nein! Ich durfte ja nicht wissen, wo ich gewesen war! Und immer wieder seine übermütigen Sprüche. Auf einer Rolltreppe, wo ich fast gestolpert wäre und er mich aber auffing und dann in der dichten Menge ganz festhielt, sagte er plötzlich zu mir: ›Du rätst nicht, was ich dir zum Geburtstag schenke!‹ Da war’s aus. Wir lachten uns halbtot, und die Leute, die vorher vielleicht Bedauern oder sogar Mitleid empfunden hatten, weil ich, die Blinde, beinahe hingefallen wäre, waren jetzt natürlich überfordert. Ich hab’s

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