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1980 Die Ibiza-Spur (SM)

1980 Die Ibiza-Spur (SM)

Titel: 1980 Die Ibiza-Spur (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Buckel, weil sie die Brise brauchten, so heiß brannte die Nachmittagssonne auf den Strand herunter.
    Sie saßen dicht nebeneinander im Schneidersitz auf ihren Bademänteln, die sie im graubraunen Sand ausgebreitet hatten, und sahen auf das türkisfarbene Meer, das von einem leichten Südost bewegt wurde und in unregelmäßigen Intervallen seine spärliche Brandung gegen das Ufer schickte.
    Vor ihnen lagen die kleinen Felseninseln Espardel und Espalmador, und dazwischen, weiter entfernt, sahen sie ein Stück der Küste von Formentera, der südlichsten Balearen-Insel. Der Anblick bot ihnen nichts Ungewohntes. Beide hatten sie im Laufe der Jahre – Christiane als Urlauberin, Klaus durch seinen Beruf – südliche Küsten erlebt. Aber was rechterhand von ihnen lag und wohin sie von Zeit zu Zeit blickten, war ihnen neu. Da glitzerten die Salzseen von Ibiza, unterteilt durch Dämme und Entwässerungsgräben. Auf dem Weg zum Strand waren sie an ihnen entlanggefahren, hatten die einzige Eisenbahn der Insel gesehen, einen altersschwachen, für den Salztransport eingesetzten Zug, aber auch moderne Kipplader, die das gewonnene Salz zu einem Sammelplatz karrten, dort ragten, wie alpine Grate, die aufgetürmten Salzberge aus der Ebene empor.
    Der Strand war nicht sehr besucht. Nur unten am Flutsaum lagen ein paar Feriengäste in der Sonne. »Ich hatte mir so fest vorgenommen«, sagte Klaus, »für ein paar Stunden zu vergessen, weswegen wir hier sind. Es gelingt mir nicht.«
    Aber dann sehnte er sich plötzlich danach, wenigstens für eine Weile den Ernst beiseite zu schieben, und darum sprach er gleich weiter: »Und dir gelingt es auch nicht, denn kaum hattest du diesen Hügel erklommen und die Kleider abgestreift und deinen Bikini angezogen, da schwenktest du schon die Coppertone-Flasche, riebst dich ein, von oben bis unten, statt das mir zu überlassen, der dafür zuständig gewesen wäre. Was beweist, daß du unser Problem mitgebracht hast an diesen Strand.«
    Und Christiane antwortete: »Ich glaube, hier muß man sich mehr als nur einmal einreiben, wenn man nicht verbrennen will. Aber du hast recht. Ich möchte hier liegen, in den Himmel sehen oder aufs Wasser und an nichts denken. Nur, es funktioniert einfach nicht. Mir fallen jetzt so viele Einzelheiten von damals ein, als Victor und ich zum letzten Mal gemeinsame Ferien machten. Das war am Strand von Yucatan, vier Wochen, bestimmt die schönste Zeit meines Lebens. Schneeweißer Sand, fast so weiß wie die Salzberge da hinten. Ein einsam gelegenes Hotel. Es war ein altes, tropenverwittertes Haus mit ein paar Strandhütten, lag ein paar Kilometer östlich von Puerto Progreso. Wir waren, weil’s out of Season war, die einzigen Gäste, und die beiden Mexikaner, die den Service machten, hatten es also nur mit uns zu tun. Wir waren zwar mit zwei anderen Ehepaaren geflogen, aber die blieben lieber in Mérida, im Hotel PANAMERICANA. Victor war es dort zu urban, zu steril, zu nordamerikanisch. Wirklich, Klaus, wo wir auch gewesen sind, er fand immer das Besondere, wie er auch dieses Hotel fand, das kaum jemand kennt. Hast du es mal erlebt, daß die Zeit tatsächlich stehenbleibt? Daß du morgens aufwachst und vergeblich nach etwas suchst, was anders ist als am Tag davor?«
    »Ja, ich kenne das. So ist es in den Tropen oft.«
    »Jeden Morgen, wenn wir aus dem Haus traten und zum Wasser hinuntergingen, war es derselbe ungetrübte blaue Himmel, ein Bilderbuchhimmel. Keine Wolke, dieselbe flimmernde Hitze schon morgens um acht, dreißig Grad. Sogar der Wind war immer derselbe, als wäre da ein Ventilator auf immer derselben Stufe eingeschaltet. Und er kam jeden Tag aus derselben Richtung. Und jeden Morgen gegen zehn Uhr schwamm eine Delphin-Familie an unserem Strand vorbei, weit draußen, aber doch nah genug, daß wir sie zählen konnten. Fünf waren es. Und zu jeder Mahlzeit kam irgend etwas aus dem Meer auf den Tisch, Hummer oder Golfkrabben, Tintenfisch oder Hai, Seezungen oder Dorados. Diese kleinen Veränderungen in der Speisenfolge waren, glaube ich, die einzige Abwechslung. Wenn es das absolute Glück wirklich gibt. Da draußen, an diesem grünschimmernden Golf, sind wir ihm sehr nah gewesen.«
    Klaus legte sich zurück, sagte: »Bitte, erzähl weiter!« Und dachte. Sie braucht das. Schließlich ist es ihr Mann, den wir hier suchen, oder zumindest war er es mal. Und ich brauche das auch, brauche, wenn denn ein Gespräch mit Victor nicht mehr möglich ist, wenigstens das

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