1980 Die Ibiza-Spur (SM)
das der richtige Weg ist. Wir sollten noch nichts beschließen, erst mal diese Nacht abwarten.«
»Gut. Und wir essen heute abend im CASTILLO, damit sie uns vor dem Aufbruch mindestens zwei Stunden lang gesehen haben.«
Sie schwiegen wieder, denn nun, in den engen, von Autos verstopften Straßen, wo das Hindurchlavieren manchmal eine Sache von Zentimetern war, mußte Klaus seine ganze Aufmerksamkeit auf das Fahren richten.
Später, als sie geduscht, sich den Sand von San Jorge abgespült und sich umgezogen hatten, waren sie ins Restaurant gegangen.
Sie hatten die auf Holzkohle gegrillten Steaks bereits verspeist und ließen sich die Mousse de Chocolat und den Kaffee servieren, da sahen sie den Mann, den sie nach Victors Bericht für die treibende Kraft der BRAUNEN KOLONNE, zumindest für eine Schlüsselfigur halten mußten.
Eine auf den ersten Blick imponierende Erscheinung. Groß, kräftig, durch und durch seriös wirkend. Ein schmales, gebräuntes Gesicht. Volles graues Haar. Bewegungen wie von einem, der es gelernt hat, seinen Körper zu beherrschen. Er ging durch die Reihen, grüßte mit einer leichten Verbeugung zu den Tischen hinüber. Klaus und Christiane hatten keinen Beweis dafür, daß dieser Mann Guillermo Hentschel war, aber sein Auftreten sprach dafür und die Tatsache, daß die Kellner jetzt mehr Beflissenheit zeigten, wohl auch. Außerdem. Wer sonst sollte in dieser Pose souveräner Verbindlichkeit die Gäste begrüßen, wenn nicht der Hausherr? Und der Hausherr war Wilhelm Hentschel, das wußten sie.
Als er an ihren Tisch trat, konnten sie ihm für einen Moment ins Gesicht sehen. Sie erschraken beide, ohne sich jedoch zu verraten. Sein Lächeln konnte über die Kälte der stahlgrauen Augen nicht hinwegtäuschen. Christiane fröstelte es beim Anblick dieses Mannes, und Klaus hatte die Vorstellung von einem Wehrmachtsoffizier, wie er ihn, nicht selten überzeichnet, in ausländischen Filmen gesehen hatte, schneidig, herrisch, kalt.
»Guten Abend! Ich hoffe, Sie sind zufrieden?« Gleich das Deutsche, so sehr war der Blick wohl schon geschult. Wieder das Lächeln. Wieder die leichte Verbeugung aus anderthalb Metern Distanz.
»Danke, ja«, antwortete Klaus. »Die Steaks waren ausgezeichnet, und auch der Service ist perfekt.«
»Das freut mich. Wenn Sie einen Wunsch haben. Für meine Gäste bin ich immer zu sprechen.«
»Vielen Dank.«
Und schon war der Mann am nächsten Tisch. Klaus schenkte Kaffee ein, und als Hentschel wieder einen Tisch weiter war, sagte er halblaut: »Victor hat recht, von außen wie ein Caballero. Aber die Augen! Hast du sie gesehen?«
»Ja. Ein Lächeln, das an den Wangenknochen haltmacht, und darüber der eiskalte Blick.«
»Ich glaube, morgen essen wir mal woanders. Hier in der Nähe soll es ein sehr gutes Hotel mit Restaurant geben, EL CORSARIO. Wollen wir’s mal ausprobieren?«
»Das machen wir.«
Klaus sah auf die Uhr. »In zwei Stunden fahren wir los. Aber denk beim Umziehen daran, so dunkel und zugleich so bequem wie möglich! Und feste Schuhe! Vielleicht müssen wir im Stollen herumklettern.«
Sie nickte, und plötzlich legte sie ihre beiden Hände auf seine Rechte. »Es war sehr schön vorhin am Strand«, sagte sie und fuhr dann gleich fort: »Ich finde, in ein paar Tagen sollten wir uns ein anderes Hotel suchen.«
»Das ist eine gute Idee.«
XIII.
Christiane hatte sich hingelegt. Sie wollte versuchen, vor dem Aufbruch noch ein bißchen zu schlafen oder wenigstens zu ruhen. Klaus saß auf seinem Bett.
Jetzt, da er die einzelnen Schritte des geplanten Unternehmens in Gedanken noch einmal durchgegangen war, kamen ihm bezüglich der Lageskizze doch Bedenken. Er hatte sie wohl ein dutzendmal studiert, sich jede Linie, jeden Winkel, jede Zahlenangabe und jede von Victor an den Rand geschriebene Notiz genau eingeprägt, aber nun erging es ihm wie dem notorischen Zweifler, der das Haus verläßt und zum dritten Mal an die Tür faßt, um zu prüfen, ob sie auch wirklich verschlossen ist. Und er fragte sich: Was, wenn ich nun doch etwas vergessen habe oder zwei Zahlen miteinander verwechsle und wir den Wald stundenlang vergeblich absuchen?
Er stand auf, trat an den Kleiderschrank, auf dessen oberstes Bord er ein paar Bücher und Zeitschriften gelegt hatte. Er nahm den Reiseführer zur Hand, holte sich aus seinem Necessaire eine Schere und schnitt, wie er es ein paar Tage vorher mit dem »Malte« getan hatte, das Buch hinten auf. Er holte die Skizze hervor, setzte sich
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