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1980 Die Ibiza-Spur (SM)

1980 Die Ibiza-Spur (SM)

Titel: 1980 Die Ibiza-Spur (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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wieder aufs Bett und hielt das kleine Stück Papier, auf dem Victor seine Eintragungen handschriftlich und in winzigen Buchstaben vorgenommen hatte, unter die Nachttischlampe. Und wieder hämmerte er sich in den Kopf, was dort längst gespeichert war. Vor allem mit dem letzten Wegstück beschäftigte er sich noch einmal, einer etwa sechzig Meter langen Strecke, die – zwanzig Schritte südlich vom Turm – an einem in die Erde gerammten Basaltblock begann und an einer mächtigen, vierschaftigen Pinie endete. Der Stolleneingang, so verriet es die Zeichnung, befand sich unmittelbar neben dem monströsen Baum. »Er ist«, hatte Victor auf der Skizze vermerkt, »ein schmaler Zugang, an dessen Rand ein Schild steht, das in vier Sprachen, darunter auch auf deutsch, die Spaziergänger warnt: Achtung! Betreten verboten! Einsturzgefahr!«
    Turm, Basaltblock, die auffällige Pinie und das Warnschild waren Orientierungshilfen genug, um den Stollen nicht zu verfehlen. Dazu gab es die Entfernung- und Richtungsangaben. Es müßte also, dachte Klaus, selbst bei Nacht ein leichtes sein, diesen Eingang zu finden.
    Er steckte den Plan wieder in das Versteck zu dem Brief, klebte mit Tesafilm ein Blatt aus seinem Notizbuch über die eingeschnittene Stelle, vermerkte darauf die Angaben für Hin- und Rückflug der Ibiza-Reise, die er von seinem Ticket abschrieb. Das mußte für den Fall, daß tatsächlich jemand die Zimmer durchsuchte und auch die Bücher in die Hand nähme, als Tarnung genügen.
    Um Viertel vor eins klopfte er bei Christiane an. Sie war wach und antwortete sofort. Bei halb geöffneter Zwischentür, durch die sie in gedämpftem Ton miteinander sprachen, zogen sie ihre dunkle Kleidung an. Klaus steckte Pistole und Taschenlampe in die weiträumigen Taschen seiner Jacke. »Bist du fertig?« fragte er.
    »Ja, es kann losgehen.«
    Sie verließen ihre Zimmer, gingen nach unten. In der Rezeption saß ein schon älterer Spanier, der sie freundlich
    grüßte. Sie traten aus dem Haus, gingen über das Kopfsteinpflaster zu ihrem Seat, stiegen ein und fuhren die enge, steile Straße hinunter.
    Erst als sie die Stadt verlassen hatten, bemerkten sie, daß es ziemlich dunkel war. Der Mond kam nur hin und wieder zwischen vorüberziehenden Wolken zum Vorschein. Sie nahmen sich Zeit, so daß sie für die fünfundzwanzig Kilometer bis San Carlos eine halbe Stunde brauchten. Sie bogen rechts ein, fuhren nun noch langsamer, suchten den Waldrand ab nach einem Platz, an dem sie den Wagen abstellen konnten. Aber keine Stelle der schmalen Bankette schien ihnen geeignet, und so entschlossen sie sich weiterzufahren.
    »Ist ja egal«, sagte Klaus, »ob wir den Fußmarsch von Westen oder von Osten her machen.« Sie fuhren an der Abzweigung, die zum Turm führte, vorbei, auch an dem Gasthaus der alten Bäuerin, passierten das Ortsschild von Ca’n Jordi, fuhren ein Stück in den Ort hinein und parkten auf der Durchgangsstraße hinter drei am Bordstein abgestellten unbeleuchteten Wagen. »Das ist sowieso besser«, sagte Klaus, »ist weniger auffällig, als wenn da ein einzelner Wagen am Waldrand steht.«
    Und dann gingen sie den Weg zurück, brauchten wieder eine halbe Stunde, bis sie das Gasthaus der Bäuerin hinter sich gelassen hatten und in Richtung auf den Turm abbogen.
    Solange links und rechts vom Weg die offenen Äcker lagen, benutzte Klaus die Taschenlampe nicht. Erst nachdem sie, dem alten Gemäuer nun schon sehr nahe, in den Wald gelangt waren, ließ er hin und wieder, abgeschirmt von seiner Hand, das Licht aufblitzen.
    Sie erreichten den Turm. Klaus leuchtete ein Stück des Mauerwerks ab, ging ein paar Schritte daran entlang und fand schließlich, wonach er suchte, die U-förmig gebogenen und mit ihren Enden ins Mauerwerk zementierten Eisenstangen, die als Trittstufen dienten. Wie riesige, verrostete Krampen steckten sie in den Mörtelfugen.
    »Du hast einen Verdacht, nicht wahr?« flüsterte Christiane, »einen furchtbaren.«
    »Ja. So wie du. Und darum müssen wir uns Klarheit verschaffen. Also, was haben wir hier? Einen gewaltigen Brunnen, der nie mehr benutzt wird. Darüber, wie eine mächtige Glocke, diesen Turm von acht, wenn nicht zehn Metern Höhe und mit einem Durchmesser von etwa sieben Metern, jedenfalls hier unten, oben sind’s vielleicht fünf oder sechs. Das ist, alles in allem, ein Platz, der sich wie kaum ein anderer dazu eignet, Tote verschwinden zu lassen.«
    »Mein Gott!« Christiane griff nach seinem Arm. »Lieber

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