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1980 Die Ibiza-Spur (SM)

1980 Die Ibiza-Spur (SM)

Titel: 1980 Die Ibiza-Spur (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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soll dem Leser klarmachen, daß wir kein gewissenloser Haufen sind, sondern daß wir, gerade weil wir ein Gewissen haben, den unglückseligen Kurs der Bundesrepublik stoppen wollen. Ich möchte aus der Feder dieses Mannes, der, wie gesagt, in Deutschland einen Namen hat und auf den man also hört, eine Rechtfertigung unserer Arbeit. Seit Wochen versuche ich, ihn dazu zu bewegen. Ich glaube, bald habe ich ihn soweit.«
Einer der Männer, er hatte sich bis jetzt noch nicht geäußert, meldete sich per Handzeichen.
»Ja, Michael?«
»Was aber, wenn der Gefangene später alles widerruft und erklärt, er habe seinen Bericht unter Druck geschrieben?«
Hentschel lächelte, aber seine Augen machten das Lächeln nicht mit. »Das ist es ja gerade«, antwortete er. »Dazu wird er keine Gelegenheit mehr haben. Sobald der Artikel, der hoffentlich viele Bürger auf unsere Seite zieht, in den führenden Zeitungen der Bundesrepublik erschienen ist, wird dem Verfasser ein bedauerliches Unglück zustoßen, sagen wir, ein Badeunfall an einem unserer vielen Strande. Außerdem habe ich ja in punkto Glaubwürdigkeit vorgesorgt, habe seine Mutter wissen lassen, daß er eine grundlegende Wandlung durchgemacht und sich von seinem bisherigen Leben losgesagt hat. Diese Wandlung korrespondiert auf das beste mit seinem Bericht.« Hentschel blickte in die Runde, nahm Gesten der Zustimmung wahr und fuhr fort: »Um in Erfahrung zu bringen, ob die Mutter den Brief ihres Sohnes für bare Münze genommen hat oder womöglich Nachforschungen anstellen läßt, habe ich Julia nach Hamburg geschickt. Sie sollte auskundschaften, was man in der Nachbarschaft der Hemmerichs erzählt, ob da zum Beispiel von einem verlorenen Sohn die Rede ist oder von Polizeibesuch im Haus. Also, Julia, berichte uns bitte über deine HamburgReise!«
Julia Potter, das einzige Mitglied der Runde, das einen Aschenbecher vor sich stehen hatte, drückte ihre Zigarette aus. Dann begann sie: »Ich habe das Haus in Blankenese drei Tage lang beobachtet, habe mit einigen Nachbarn gesprochen und mich am vierten Tag in der Redaktion der Zeitschrift umgesehen, für die der Mann hauptsächlich gearbeitet hat. Zunächst das Haus. Es gab nichts Auffälliges. Seine Mutter lebt nach einem geregelten Tagesablauf. Bestimmte Tätigkeiten wie Einkaufen, AscheneimerAusleeren, sogar der Spaziergang, erfolgten an den drei Tagen zu den gleichen Zeiten. Zweimal hatte sie Besuch. Einmal war es eine ältere Frau, die mit dem Taxi kam, das andere Mal ein Kind, ein etwa zwölfjähriger Junge, der mit einer Schultasche kam und genau eine Stunde blieb. Vielleicht gibt sie ihm Unterricht. Der Briefträger war an allen drei Tagen da, was aber nicht bedeuten muß, daß sie viel Post bekommt, denn es war immer eine Zeitung dabei. Einmal habe ich sie von einer Zelle aus angerufen und nach ihrem Sohn gefragt, und sie hat gesagt, er sei auf Reisen und sie wisse nicht genau, wann er zurückkäme, es könne aber diesmal sehr lange dauern, da er für eine große Reportage unterwegs sei. Die Nachbarn. Ich habe mich bei einem Rentnerehepaar beliebt gemacht, indem ich den Garten der beiden lobte. So kam das Gespräch in Gang, und ich konnte schließlich auf ein Thema umsteigen, das mir unverdächtig und gleichzeitig ergiebig erschien. Interesse an einem Kauf des Hemmerich-Hauses. Wenn man diesen Trick anwendet, fällt nach meiner Erfahrung immer am meisten ab. Dann kommt nämlich das Familiäre zwangsläufig auf den Tisch, soweit es den Nachbarn bekannt ist, Besitzverhältnisse, mögliche Erbauseinandersetzungen etc. Meine Rentner wußten einiges, versprachen auch, taktvoll zu schweigen. Es gibt, wie wir ja schon wußten, keinen Vater mehr, dafür aber nicht nur den einen Sohn, sondern zwei. Der andere ist Schiffsoffizier und selten zu Haus. Er fährt auf einem amerikanischen Tanker. Unsere damals eingeholten Informationen waren also unvollständig, denn dieser zweite Sohn wurde hier nie erwähnt. Nun zwei wichtige Details. Die Mutter hat nichts über das Verschwinden ihres Sohnes in der Nachbarschaft erzählt, sondern nur gesagt, er sei für längere Zeit beruflich im Ausland. Ein solches Verschweigen der wirklichen Umstände erscheint mir in diesem Fall plausibel, sie ist eben eine Frau, die mit ihrem Kummer nicht hausieren geht. Zweitens, der andere Sohn ist erst ganz kürzlich zu Haus gewesen, und zwar für drei bis vier Tage. Mein Rentner hat ihn abfahren sehen. Taxi, Gepäck, Umarmung an der Gartenpforte. Nach diesen

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