1981 - Richard
habe mich nicht verlaufen, wie sie sehen und ich bin auch noch gesund. Außerdem hatte ich einen Führer«, beschwichtigte Georg.
»Sie sind ganz schön unternehmungslustig, was?« Sie lachte.
»Wenn ich schon einmal in diesem Teil der Welt bin, dann möchte ich natürlich auch etwas erleben. Was können sie mir denn auf Nuku Hiva noch so empfehlen, was der fleißige Tourist unbedingt sehen muss.«
Florence überlegte. »Es gibt natürlich eine Menge, aber es ist genauso, als wenn sie einen Pariser fragen, was an seiner Stadt besonders schön ist. Er wird es nur schwer sagen können, weil es für ihn Alltag ist.« Sie schwieg kurz und dachte nach. »Mir fallen zwei Schriftsteller ein, die etwas mit Nuku Hiva zu tun haben.«
»Ich glaube einer von Ihnen ist Robert Louis Stevenson", kam Georg ihr zuvor.
»Richtig, Anaho Bay«, antwortete Florence. »Für viele ist es der Inbegriff der Südsee, wenn man so will. Gehen sie dorthin und machen sie Fotos. Wenn sie die dann zu Hause zeigen, wird Ihnen jeder glauben, dass sie in der Südsee waren, auch ohne dass sie Ihre Flugtickets vorzeigen.«
»Und was hat Anaho Bay mit Stevenson zu tun?«
»Robert Louis Stevenson hat bekanntlich auf Samoa gelebt und ist dort auch gestorben«, erklärte Florence. »Auf seinem Weg dorthin hat er auf Nuku Hiva Station gemacht. Es gibt in der Anaho Bay eine Gedenktafel, einmal davon abgesehen, dass es dort natürlich auch wunderschön ist.«
»Stevenson und wer noch?«, fragte Georg.
»Melville, Herman Melville«, antwortete Florence. »Er hat sogar ein paar Wochen auf Nuku Hiva gelebt, als Flüchtling, wenn sie so wollen.«
»Sie meinen Moby Dick«, sagte Georg.
»Oh, wenn sie auf Nuku Hiva etwas werden wollen, müssen sie über Typee reden, kennen sie das Buch?«, fragte Florence.
»Ich habe es im Schaufenster eines Ladens in Taiohae gesehen, stimmt es ist auch von Melville, aber ich habe ehrlich gesagt bis gestern noch nie davon gehört«, sagte Georg.
»Fahren sie hinauf nach Taipivai und lesen sie danach das Buch. Melville wird auf Nuku Hiva sehr verehrt, aber eben nicht wegen Moby Dick«, erklärte Florence. »Wenn sie schon den Trip durchs Hakaui-Tal genossen haben, wird Ihnen Taipivai auch gefallen.«
»Gut, ist notiert«, sagte Georg lächelnd. »Und das wäre es?«
»Nein, bestimmt nicht, es gibt so vieles«, antwortete Florence. »Nehmen sie sich einfach wieder einen Führer, die Leute wissen am Besten, was bei den Touristen ankommt. Wen hatten sie denn im Hakaui-Tal, vielleicht kenne ich ihn ja?«
»Ich kenne eigentlich nur seinen Vornamen, er heißt Koolar, ein junger Bursche.«
»Sie meinen Koolar Maraetaata«, sagte Florence. »Er ist sehr fleißig, er arbeitet auch in der Kirche, er ist zwar kein Profi, den man mit einer größeren Gruppe losschicken könnte, aber er kennt sich sehr gut aus.«
Georg nickte. »Wenn ich da an unsere Fremdenführer in München denke«, sagte er. »Wie die uniformierten Damen mit ihrer Kundschaft durch die Innenstadt spazieren und den Viktualienmarkt oder den Marienplatz besichtigen, dass ist schon ein großer Unterschied.«
»Sind sie denn auch gebürtiger Münchner wie Simon?«, fragte Florence.
»Oh nein, ich bin ein Zuagereister, wie die Münchner sagen, ein Fremder. Ich stamme ursprünglich aus Norddeutschland, aus einem Dorf in der Nähe von Cuxhaven. Haben sie schon einmal von Cuxhaven gehört, es liegt an der Nordsee, in Niedersachsen.«
»Oh, ich fürchte, meine Geographiekenntnisse sind nicht so gut.«
»Hamburg kennen sie aber doch und die Elbe? Cuxhaven liegt an der Elbmündung«, erklärte Georg.
Florence nickte. »Dann weiß ich ungefähr. Aber sie können es mir ja einmal auf einer Karte zeigen. Und wie sind sie nach München gekommen?«
»Ich war zuletzt auf einem Fliegerhorst in der Nähe Münchens stationiert und später habe ich dann in München studiert. Ich finde München toll, aber es ist nicht meine Traumstadt. Ich bin eben immer noch Norddeutscher, ich brauche das Meer, die Seeluft. Wissen sie was ein Wattenmeer ist?«
»Sie meinen, wenn bei Ebbe das Wasser fort ist und der Meeresboden sichtbar wird?«
»Ja, genau«, Georg schmunzelte. »So kann man es umschreiben. Bei uns an der Nordseeküste zieht sich das Wasser fast zehn Kilometer zurück. Wer es nicht kennt und bei Ebbe an den Strand geht, kann sich gar nicht vorstellen, dass das möglich ist.«
»Ich glaube kaum, dass es so beeindruckend ist, wie an der Küste der Bretagne«, sagte
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