1981 - Richard
jemandem gedenken will, zum Beispiel der Ahnen.«
»D ie Ahnen unserer Brotfrucht« , versuchte Georg zusammenzufassen, »oder Zum Gedenken an die Brotfrucht unserer Ahnen.«
»Sie sehen, es ergibt keinen Sinn«, kommentierte der Enkel.
Sie schwiegen einige Sekunden und sahen auf den Stein herunter. Florence holte einen Zettel aus ihrer Jackentasche. Sie kritzelte die eigenartigen Worte mit einem Kugelschreiber auf das Papier, vielleicht würde Gori eine andere Übersetzung geben, vielleicht hatte er eine andere Idee, was es bedeutete.
»Hat ihre Großmutter Julie des Bois kennengelernt?«, fragte Georg schließlich. »Kann sie sich noch an sie erinnern?«
Die Frage war an den Enkel gerichtet, doch die alte Frau hatte es ebenfalls wieder verstanden. Sie erklärte etwas in ihrer Sprache. Sie benutzte ihre Hände und zeichnete ein Bild in die Luft.
»Sie hat sie gekannt«, übersetzte der Enkel schließlich. »Sie sagt, sie sei wunderschön gewesen. Ihre Haut war braun, aber ein sanfteres Braun als es die Menschen hier haben. Und ihre Haare glänzten wie Gold. Sie sagt, ihr Bruder habe sie sehr geliebt, auch als sie schon fort war. Er hat sie so lange geliebt, bis er seine Anohaa getroffen hat. Danach hat er sie aber immer noch verehrt und das Land hier nicht verkauft oder selbst bebaut.«
Georg drehte sich zu Florence um. »Ich habe die Fotos in meiner Tasche im Hubschrauber«, sagte er zu ihr. »Wir können sie ihr zeigen.«
Anscheinend verstand die Großmutter das Wort Fotografie. Sie begann wieder etwas zu erzählen. Ihr Enkel hörte aufmerksam zu und übersetzte sofort. »Sie sagt, ein Mann hat Julie des Bois abgeholt. Er kam mit einem Kasten. Später hatte ihr Bruder diese Fotografien, die er von dem Mann bekommen haben soll. Meine Großmutter hat immer geglaubt, dass der Mann mit den Fotografien bezahlt hat, um Julie des Bois mitzunehmen.«
»Ich habe auch Fotografien, die ich ihrer Großmutter gerne zeigen möchte. Dazu müssen wir aber wieder zurück zum Hubschrauber«, erklärte Georg.
Die Großmutter nickte. Florence nahm ihren Fotoapparat und stellte sich vor den Stein. Sie machte einige Aufnahmen und folgte dann den anderen, die bereits einige Schritte voraus waren. Mit dem Geländewagen ging es zurück zur Siedlerstelle. Maurice hatte den verletzten Bauern bereits mit Hilfe seiner Frau transportfertig gemacht. Sie hatten dazu die Bahre aus dem Hubschrauber genommen und den Mann darauf festgeschnallt. Er hatte eine Entzündung im Bein, die bereits seit einigen Tagen mit Antibiotika behandelt wurde. Das Laufen machte ihm schon seit zwei Wochen Probleme, wie er mitteilte. Im Krankenhaus sollte der betroffene Oberschenkel aufgeschnitten werden, um den Bruch noch einmal richten zu können. Das schwierigste war jedoch, dass der Bauer nach seiner Operation mindestens drei Wochen im Krankenhaus bleiben sollte. Anfangs hatte er noch gejammert, wer sich in dieser Zeit um seinen Hof kümmern soll, obwohl er drei kräftige Söhne hatte, die immer noch alle in der Nähe lebten und auch ohne ihren Vater zurecht kommen würden. Schließlich hatte der Mann sich seinem Schicksal gefügt. Maurice wartete schon auf die Rückkehr von Florence und Georg. Der Hubschrauber stand in der Sonne und hatte sich mittlerweile aufgeheizt. Er wollte dem Patienten nicht zumuten, in der Hitze zu warten und hatte ihn daher noch nicht in die Kabine eingeladen. Georg wollte ihm helfen, bat aber darum, noch einen Moment zu warten. Er wollte erst an seine Tasche und der alten Frau die Fotos von Julie Jasoline zeigen. Es waren drei Aufnahmen. Die beiden Fotografien, die Florence gefunden hatte und das Bild, das Georg aus dem Fotolabor auf Tahiti hatte. Er ging zum Wohnhaus, wo die Großmutter mit dem Enkel wartete. Georg gab ihr die Aufnahme, die die Kinder vor dem Kolonialwarengeschäft zeigte. Er wollte ihr schon zeigen, welches der Kinder die kleine Julie war, doch die Alte nahm das Foto, blickte darauf sagte etwas zu ihrem Enkel und verschwand im Haus. Der Enkel erklärte, dass seine Großmutter ihre Brille holen müsse, um etwas auf dem Foto zu erkennen. Es dauerte nicht lange und sie kam zurück. Sie hielt Georg die Aufnahme hin und zeigte mit dem Finger genau auf Julie Jasoline. Dann sagte sie wieder etwas.
»Sie hat sie wieder erkannt, aber sie sagt, dass Julie schon älter war, als sie sie zuletzt gesehen hat«, übersetzte der Enkel.
Georg zeigte der Großmutter die Aufnahme von 1911. Die Alte nickte. Die Worte »Julie des
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