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1981 - Richard

1981 - Richard

Titel: 1981 - Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Zeram
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Bois« konnte Georg auch ohne Übersetzung verstehen. Dann erzählte sie wieder etwas. Der Enkel übersetzte.
    »Großmutter träumt noch öfter von Julie des Bois«, sagte er »Sie hat sie wie eine große Schwester geliebt, weil sie selbst nur vier Brüder und keine richtige Schwester hatte.«
    Die Alte hatte verstanden, was ihr Enkel übersetzte. Sie zupfte ihn am Ärmel, schüttelte den Kopf und erzählte ihm noch etwas. Der Enkel hörte zu und nickte die ganze Zeit. Dann wandte er sich wieder an Florence und Georg.
    »Meine Großmutter hat von ihren Träumen erzählt...«
    Sie unterbrach ihn erneut, sagte wieder etwas zu ihm und schüttelte dabei heftig mit dem Kopf.
    »Sie besteht darauf, dass es keine Träume waren«, sagte der Enkel.
    »Was waren keine Träume?«, fragte Florence.
    »Sie ist schon etwas durcheinander«, flüsterte der Enkel. »Es waren also keine Träume«, sagte er dann wieder laut. »Meine Großmutter hat sie noch einmal gesehen, hier auf der Insel, sie war aber älter als die Frau auf dem Foto, sie war eine richtige Frau, eine Dame. Sie hat nicht mit meiner Großmutter gesprochen, sie hat mit niemandem gesprochen, aber ihr Bruder wusste, dass sie da war, aber er hat auch mit niemandem darüber gesprochen.«
    Die Großmutter begann wieder zu reden, diesmal direkt zu Florence und Georg. Der Enkel schüttelte den Kopf und seine Großmutter sah ihn böse an.
    »Der Stein oben an der Klippe, er markiert nicht nur das Land der Julie des Bois, er verwahrt auch ein Stück von ihr, etwas, das sie für ewig auf Ua Huka gelassen hat, etwas von ihr.« Der Enkel zögerte kurz. »Meine Großmutter glaubt noch an die alten Geister«, flüsterte er dann wieder.
    »Wann war das, wann hat ihre Großmutter Julie des Bois zuletzt gesehen, in welchem Jahr?«, fragte Georg
    Die Großmutter hatte verstanden. Sie gestikulierte mit ihren Händen und erzählte dazu. Der Enkel nickte.
    »Meine Großmutter weiß nicht in welchem Jahr es war, sie weiß nicht einmal, welches Datum wir heute haben, sie kennt aber die Jahreszeiten und die großen Ereignisse. Sie behauptet, ein Jahr nachdem Julie des Bois die Insel wieder verlassen hatte, machte es die große Flut, dass ein weißes Schiff den Göttern geopfert wurde.«
    »Ein weißes Schiff, den Göttern geopfert«, wiederholte Florence. »Das sagt mir nichts.«
    Der Enkel überlegte und fragte dann seine Großmutter. Die Alte gestikulierte wieder und sprach mit beschwörerischer Stimme.
    »Ein weißes Schiff. Am Morgen nach der Flut stand ein weißes Schiff auf den Klippen in der Bucht bei Tekehu. Es stand ganz aufrecht, wie ein Wunder, sagt meine Großmutter.«
    »Das gab es wirklich«, mischte sich Maurice ein. »Ich habe ein Foto davon gesehen. Es hing eine Zeit lang im Briefingroom in der Hubschrauberstation vom Krankenhaus. Es ist heute nicht mehr da.«
    »Was war das für ein Schiff«, fragte Georg an Maurice gewandt.
    »Ein Segler, Zweimaster. Die Welle hat es auf die Klippen gehoben, dabei ist der Kiel weggebrochen, so dass es aufrecht auf einem Felsen zum Stehen kam. Es sah so aus, als habe jemand das Schiff in die Hand genommen und an Land gesetzt.«
    »Und wann war das?«, fragte Georg.
    Maurice überlegte. »Es war lange bevor ich hier hergekommen bin, vielleicht in den vierziger oder fünfziger Jahren, schätze ich, aber ich bin mir nicht sicher.«
    »Es war 1951", sagte der Enkel.
    Alle sahen ihn an.
    »Im Rathaus, hier auf Ua Huka gibt es eine Vitrine. Das Foto ist dort ausgestellt. Es war ein Tsunami, ähnlich wie der von 1946, aber zum Glück bei weitem nicht so schlimm, nur das Schiff hat es auf die Klippen gehoben. Das Schiff hieß Grano del Pacífico, es war ein argentinischer Segler."
    "1951", wiederholte Florence, »dann hat ihre Großmutter Julie des Bois ein Jahr zuvor, also 1950 hier auf der Insel gesehen.«
    »Wenn das alles so stimmt«, sagte der Enkel, diesmal wieder leise, so dass es seine Großmutter nicht hören konnte. »Sie ist schon alt und sie träumt häufig von ihrem Bruder und kann es dann hinterher nur schwer begreifen, dass er schon so viele Jahre tot ist.«
    Georg nickte und sah Florence an. Maurice trat an die beiden heran und stieß Florence leicht an. Es war das Zeichen, aufzubrechen. Georg verstand. Er wollte seine Aufnahmen einsammeln. Die Großmutter sah ihn traurig an. Er überlegte. Die Fotografien waren ohnehin nur Kopien. Florence hatte die Bilder gescannt und das Original, dass er aus dem Fotolabor auf Tahiti gekauft

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