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1981 - Richard

1981 - Richard

Titel: 1981 - Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Zeram
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gewesen sei.«
    »Was ist aus ihr geworden?«, fragte Florence.
    »Oh, Mrs.«, stöhnte Jane. »Das ist alles lange her, ich wundere mich selbst, dass ich mich noch an Details erinnern kann. Mein Mann und ich sind Ende 1941, gleich nach unserer Hochzeit hier eingezogen. Drei Monate später musste Alfred in diesen Krieg, aber er ist zum Glück wiedergekommen. Ja, und Madame Jasoline, die hatte hier schon gewohnt, als wir eingezogen sind. Während des Krieges wurde sie immer gefragt, ob sie denn aus Europa , aus Frankreich geflohen sei, wegen des Krieges. Und sie hatte gesagt, dass sie Frankreich schon sehr lange vor dem Krieg verlassen hatte und dass sie in diesem Jahrhundert noch nicht wieder dort gewesen sei. Mehr hat sie darüber nicht erzählt und viele haben nicht verstanden, was sie damit meinte. Nur ihre Inseln, von denen hat sie immer gesprochen. Wissen sie, ich habe viel mit ihr geredet. Ich war häufig bei ihr, in der Zeit, in der Alfred im Krieg war. Sie war ja auch allein.«
    »Was ist aus ihr geworden«, wiederholte Florence ihre Frage, aber diesmal etwas ruhiger.
    »Das weiß ich nicht. Es ging auf einmal sehr schnell. Eines Tages holte sie mich in ihre Wohnung und sagte, dass sie noch am selben Tag ausziehen würde. Es standen zwei Koffer im Flur, die Möbel waren aber alle noch da. Der Mieter nach ihr wollte sie auch nicht, daran erinnere ich mich noch. Da haben mein Mann und ich uns das ein oder andere genommen. Den Rest haben die Möbelpacker an die Straße gestellt.«
    »Wann war das?«, fragte Georg.
    »Ja«, sagte Jane begeistert, »es war 1949, in dem Jahr ist auch unsere Tochter geboren. Es war im September, Anfang September ist Madame Jasoline ausgezogen. Oder warten sie, nein, es war in dem Jahr darauf. Ich bin mir ganz sicher, es war 1950. Kimberley konnte schon laufen. Sie müssen wissen, meine Tochter heißt Kimberley, sie arbeitet in Canberra bei einer Bank.«
    »Hat Madame Jasoline Ihnen denn auch gesagt, wo hin sie wollte?«, fragte Florence.
    Jane dachte nach. »Sie wollte weg von Australien, sie wollte nach Europa, sie wurde dort geboren, wie sie uns erzählt hat.«
    »Nach Europa und wo dorthin?«
    »Das weiß ich nicht mehr. Vielleicht wollte sie nach Frankreich , ich glaube sie wollte nach Frankreich , ja«, sagte Jane nachdenklich. »Sie war ja auch einmal Französin.«
    »Hat sie sich später noch einmal bei Ihnen gemeldet?«, fragte Georg. »Haben sie noch einmal von ihr gehört oder sie getroffen?«
    »Ich habe sie nie wieder gesehen, nie wieder. Sie ist tatsächlich noch am selben Tag abgereist, damals Anfang September. Aber sie hat uns geschrieben. Es muss ungefähr zwei Jahre nach ihrer Abreise gewesen sein, als uns ein Brief von ihr erreichte. Der Brief kam aus Europa .« Sie überlegte. »Ja, aus Europa, ein Luftpostbrief, das weiß ich noch und es war 1952.«
    »Aber sie haben die genaue Anschrift, die Adresse nicht mehr?«, fragte Florence.
    »Nein, ich weiß nur, es war Europa , sie wollte ja auch weg von Australien.« Jane überlegte. »Mein Mann hatte mir damals eine Karte von Europa gezeigt. Ich kenne mich dort nämlich nicht so gut aus. Mein Mann wusste wie es dort aussieht und wo all die Hauptstädte liegen, London oder Paris. Er war nämlich während des Krieges in Europa .«
    »Können wir ihren Mann nicht fragen, vielleicht erinnert er sich noch an die genaue Adresse?«, fragte Georg.
    »Da kommen sie zu spät«, antwortete Jane. »Vor einer Stunde hätten sie ihn noch getroffen. Jetzt ist er beim Bowlen. Aber wir brauchen Alfred nicht. Den Brief haben wir aufbewahrt. Ich kann ihn holen, wenn ich ihn finde, heißt es. Bitte warten sie einen Moment.«
    Sie sah Bob an, ließ die Tür offen und wandte sich ab. Sie standen schweigend im Hausflur und warteten auf Janes Rückkehr. Sie war doch gut organisiert. Bereits nach wenigen Minuten kam sie wieder zur Tür. Sie hielt ein ganzes Bündel mit Briefen in der Hand.
    »Er ist hier zwischen«, sagte sie und blätterte den Stapel durch. »Es ist ein Luftpostbrief. Wir haben in unserem ganzen Leben höchstens zwei oder drei Luftpostbriefe bekommen.«
    Sie hatte den Brief schließlich gefunden und zog ihn aus dem Bündel. Der Umschlag war an den Rändern schon etwas vergilbt. Die Briefmarke zierte das Konterfei King Georgs VI. Jane hielt Florence den Brief vor die Augen. Georg neigte seinen Kopf, um ebenfalls sehen zu können. Auf der Vorderseite des Umschlags stand die Adresse des Hauses, in dem sie sich gerade befanden,

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