1981 - Richard
Schreibwarenladen gegangen und haben uns dort Leinwand und Farben gekauft, das selbstverständlich nicht.«
»Du hast Recht, das ist wichtig, sogar sehr wichtig«, sagte Sébastian Lumar und setzte mit den Erklärungen fort. »Unser Material, das ich für die Bilder verwende. Das künstlerische Ergebnis ist natürlich ausschlaggebend, aber es wäre nichts wert, wenn die verwendeten Farben und die Leinwand, nicht auch authentisch wären. In Paris ist es auch noch heute leicht, Farben zu finden, die schon ein Monet oder ein van Gogh hätten kaufen können. Es gibt immer noch alte Bestände. In den Künstlervierteln von Paris . In Montparnasse oder in Montmartre gibt es viele kleine Läden, die nicht nur fabrikneuen Künstlerbedarf anbieten, sondern sich auch auf Restbestände an Farben spezialisiert haben. Es gibt Farbtöne, die heute nicht mehr genau so angemischt werden, wie sie die Künstler von damals noch kannten und ich spreche dabei von den Grundfarben. Zumeist sind es Öl- oder Aquarellfarben, die sich bei richtiger Lagerung über Jahre und Jahrzehnte halten, ohne dass die Qualität darunter leidet. Zum Teil bestehen diese Farben aus Stoffen, die schon nicht mehr fabriziert werden dürfen, die Bestandteile aus Schwermetallen oder sogar Giften enthalten. In einigen besonderen Läden gibt es auch alte Leinwände zu kaufen, die oft sogar schon bemalt sind. Auch bemalte Leinwände lassen sich noch verwenden, wenn die alten Farbschichten zuvor vorsichtig entfernt werden. Sie müssen dabei Acht geben, nicht den Temperauntergrund zu beschädigen, mit dem die Leinwand zur Bemalung vorbereitet ist. Auch die Tempera muss natürlich zu den Farben und der Leinwand passen. Soll ich Ihnen unsere Vorräte zeigen?«
»Nein, danke, aber ich komme gerne noch einmal darauf zurück«, antwortete Edmund Linz. »Was sie da erzählen hört sich alles an wie der Erfahrungsbericht eines Fälschers.«
»Es mag sein, dass es so klingt, aber uns geht es hier vor allem um eine möglichst authentische Reproduktion«, antwortete Konrad Schumann ungerührt.
Edmund Linz wollte noch etwas sagen, aber er wusste, dass die beiden Männer mit ihrer Erzählung noch nicht ganz fertig waren. Sébastian Lumar ergriff auch sofort wieder das Wort und kam zu dem entscheidenden Teil seines Berichts.
»Alles muss stimmen. Ich muss mich optimal auf einen Künstler und sein Werk einstellen. Während ich male, muss ich das Original über die Projektionstechnik ständig vor mir haben. Ich brauche auch ein Poster oder sonstige Abbildungen vom Original. Ich muss die alten Farben benutzen und eine Leinwand, die der alte Meister theoretisch selbst schon in Händen gehalten hat. Wenn das alles stimmt und ich das Bild fertig gemalt habe, dann muss ich es noch durch meine Zeitmaschine in die Vergangenheit bringen.«
»Jetzt spinnen sie«, sagte Edmund Linz kopfschüttelnd. »Jetzt wollen sie mir erzählen, dass eine höhere Macht ihre Hand führt, wenn sie Bilder fälschen.«
»Keine höhere Macht, eine Technik, eine Zeitmaschine«, wiederholte Sébastian Lumar. »Wenn ein Bild durch diese Maschine hindurchgegangen ist, werden Ihnen die Experten bestätigen, dass es aus der Vergangenheit kommt, obwohl ich es erst vor wenigen Wochen gemalt habe. Aber Spaß bei Seite. Ich spreche über den Alterungsprozess. Jedes Bild muss künstlich gealtert werden.«
»Um die Fälschung perfekt zu machen!« Edmund Linz konnte sich diese Bemerkung nicht verkneifen.
»Perfekt ist das richtige Wort«, sagte Konrad Schumann. »Wir benutzen einen Klimaschrank. Wir haben ihn bei der Auflösung eines Labors erstanden. Drehen sie sich doch einmal um, dort in der Ecke steht das Gerät. Wir können darin Bilder von einer Größe bis zu hundertzwanzig mal hundertfünfzig Zentimetern behandeln.«
Edmund Linz wandte sich um und stand dann auf, um sich das Gerät aus der Nähe anzusehen. Es war ein blanker, hoher Metallschrank mit Lüftungsschlitzen an der Seite und einer großen Glastür. Der Sockel des Schrankes hatte eine Art Schalttafel mit Rädchen und Schiebern und einem Display. Konrad Schumann hatte sich ebenfalls erhoben und stand jetzt neben Edmund Linz.
»Bevor sie mit so etwas arbeiten können, müssen sie sich erst einmal gut informieren«, erklärte er. »Die künstliche Alterung ist eine Wissenschaft für sich. In der Industrie werden Gebrauchsgegenstände mit so einem Apparat auf ihre Haltbarkeit getestet. Es sind Verschleißtests, in denen Materialien innerhalb von
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