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1981 - Richard

1981 - Richard

Titel: 1981 - Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Zeram
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undenkbar. Es durfte keine Spur zu ihm führen. Die Werkstatt, in der er gearbeitet hatte, würde auch schon nächste Woche nicht mehr stehen.
    Die Ausstellung des Gauguins sollte heute Morgen, am Sonntag, eröffnet werden und fast vier Wochen dauern. Unmittelbar danach war die Versteigerung geplant. Die Versicherungssumme sollte eigentlich erst bei zwölf Millionen liegen. Die Versicherung hatte ihr Limit aber bei zehn Millionen festgelegt und dafür höchste Sicherheit auch während der späteren Versteigerung garantiert. Sie hatten sich eine Woche vorher alles ansehen können, den Ausstellungsraum, die Glasvitrine, die Sicherheitsmaßnahmen. Tagsüber hielt sich sogar immer ein Wachmann direkt im Ausstellungsraum auf. Obwohl für die nächsten vier Wochen mit einem ständigen Publikumsverkehr gerechnet wurde, war doch die wichtigste Veranstaltung die Präsentation am Samstagvormittag. Es war hervorragend gelaufen, wie Simon Halter meinte. Drei Münchner Tagezeitungen wollten am Sonntag berichten. Edmund Linz dachte, dass die Drucklegung der Zeitungen wohl in diesen Minuten erfolgen würde. Er sah auf die Uhr, halb zwei. Ob der Gauguin jetzt noch existierte. Er begann für einige Sekunden daran zu zweifeln, dass sein Zeitplan funktioniert hatte, dass die Einstellung seiner Mischung wirklich erfolgreich war. Er fand aber schnell wieder zu seinem Glauben zurück. Es hatte funktioniert, es musste einfach funktioniert haben. Er hatte den Gauguin am Freitagabend zuletzt gesehen, den Gauguin, nein, es war kein Gauguin, es war eine Fälschung, eine sehr gute Fälschung, aber keine Fälschung, die zehn Millionen wert war, bei weitem nicht. Bei der Pressekonferenz hatte er sich nicht sehen lassen. Er stellte sich vor, wie sie alle ehrfürchtig an diesem Bild vorbei schritten. Er konnte es sich nur vorstellen, er hatte sich nicht getraut selbst zu erscheinen. Er hatte hinterher nur mit Simon Halter telefoniert. Er hatte von Claudius Brahms Auftritt gehört, von seinem Vortrag und das alles für eine Fälschung. Simon Halter war sehr zufrieden. Die Küchenuhr zeigte zehn Minuten vor zwei. Er nippte an dem Orangensaft, trank das Glas leer und ging dann zurück ins Wohnzimmer. Er setzte sich gar nicht mehr, starrte nur noch einige Sekunden auf den Fernsehbildschirm. Dann schaltete er das Gerät aus und ging schlafen.
    *
    Um 8:46 Uhr klingelte es an der Haustür. Edmund Linz hatte unruhig geschlafen, war vor einer Stunde aufgewacht und hatte sich dann sofort geduscht. Als es jetzt an der Tür läutete dachte er an die Zahl »Zehn Millionen«. Er hatte zwar mit einem Anruf gerechnet, aber eine so wichtige Angelegenheit, eine so wichtige Nachricht konnte durchaus auch persönlich überbracht werden. Kurz bevor er auf die Taste des Türöffners drückte, schossen ihm mehrere Gedanken durch den Kopf. Draußen stand die Polizei, malte er sich aus. Sie hatten schnell klären können, dass es Brandstiftung war und der einzige Verdächtige, der einzige mit einem Vorteil bei einem Totalverlust, war er, Edmund Linz, er selbst oder doch nicht. Eigentlich würden alle daran verdienen und die Welt würde keines seiner Meisterwerke verlieren, weil es ein »Fake« war, dieser Gauguin, nicht der größte Reinfall der Kunstgeschichte, aber einer der raffiniertesten. Er dachte kurz an Konrad Schumann und diesen Sébastian Lumar. Sie würden als Spinner abgetan, egal was sie sagen würden, egal, was sie vorführen würden, ohne das Bild selbst zählte das alles nichts. Das Bild war der Beweis, nur das Bild selbst konnte beweisen, dass es falsch war. Er drückte auf den Türöffner, eine Gegensprechanlage gab es in diesem Mietshaus nicht. Er hätte von oben, aus dem Fenster nachsehen können, wer unten etwas von ihm wollte, aber er wusste ja, wer es war, er konnte es sich zumindest denken. In den ersten Stock zu seiner Wohnung brauchte man die Treppe hinauf nicht länger als eine Minute. Er könnte jetzt schon seine Wohnungstür öffnen und auf den Besucher warten, er tat es aber nicht. Es dauerte wohl gut zwei Minuten, als es auch hier oben klingelte, jemand war hinaufgekommen und stand vor der Wohnungstür. Edmund Linz wartete noch ein paar Sekunden, hatte den Türgriff fast schon in der Hand, als es erneut läutete. Dann schoss es ihm plötzlich durch den Kopf, dass es fehlgeschlagen sein konnte, dass sie ihm mitteilen wollten, dass ein mutiger Wachmann den Gauguin aus den Flammen gerettet hatte, aber das war unmöglich, löschen war unmöglich,

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