1981 - Richard
Gauguin und sein Südseedasein. Am Ende wurden Zahlen genannt, die Höhe des Mindestgebots und der Betrag, den das Bild nach Expertenschätzungen tatsächlich wert sei. Es wurde aber nicht über Julie Jasoline oder ihre Familie berichtet, auch nicht über die Recherchen von Georg Staffa und Florence Uzar. Während Konrad Schumann in dem Artikel las, schwieg Edmund Linz die ganze Zeit. Er setzte sich sogar in seine Couch und wartete ab. Es vergingen Minuten, in denen er an nichts dachte.
»Das ist ja fantastisch«, brachte Konrad Schumann plötzlich hervor. »Ich kenne diesen Herrn Brahm sogar, also nicht persönlich, sondern als Autor aus dem Kunstforum eines Magazins, das ich abonniere. Toll, eine echte Auktion, eine echte Versteigerung, auf der Millionen für das Bild geboten werden sollen.«
Konrad Schumann lächelte ihn an. »Das ist die Krönung, wenn das Bild diesen Test besteht, dann haben wir wirklich etwas Großes geschaffen. Unser Experiment geht weiter und wir hatten schon gedacht, es wäre vorbei.«
Edmund Linz sah Konrad Schumann jetzt direkt in die Augen. Damit hatte er nicht gerechnet, nicht mit dieser Reaktion, obwohl es eigentlich logisch war, natürlich, das Experiment. Konrad Schumann und dieser Sébastian Lumar würden jetzt nicht sofort zur Polizei rennen, nein, sie glaubten, dass er ihr Spiel mitspielte, dass er sich jetzt an dem Experiment beteiligte.
Edmund Linz lächelte. »Ich bin genauso gespannt wie sie. Nach der Versteigerung wird das Bild dann sogar noch in Berlin ausgestellt.«
»Ja, habe ich gelesen.« Konrad Schumann nickte heftig. »Sie sind wirklich toll, so dreist wären wir niemals gewesen, das hätten wir uns nicht getraut.« Er schüttelte den Kopf. »Und ich wollte eigentlich das Bild heute abholen, weil sie ja ihr Geld zurückbekommen haben und es ja damit wieder uns gehört, aber so ist es natürlich besser. Sébastian wird staunen.«
Edmund Linz hatte plötzlich das Gefühl, als wenn keine Gefahr mehr von diesem Konrad Schumann und seinem Freund drohte, vorerst zumindest nicht. Edmund Linz warf einen Blick auf die Wohnzimmeruhr, es war zehn nach neun. Vielleicht würde der Gauguin , vielleicht würde die Fälschung, auch jetzt schon gar nicht mehr existieren. Dann dachte er an Simon Halter. Konrad Schumann und Simon Halter sollten sich nach Möglichkeit hier nicht begegnen. Konrad Schumann sollte wieder aus der Presse erfahren, dass es ein Unglück gegeben hatte. Obwohl, dachte Edmund Linz, es wäre auch egal.
»Ich muss jetzt sofort gehen, ich muss sofort mit Sébastian sprechen, toll, wirklich toll«, sagte Konrad Schumann weiterhin euphorisch.
Edmund Linz nickte. Sie erhoben sich und verließen das Wohnzimmer.
»Hier, das ist ja ihre«, sagte Konrad Schumann, als sie die Wohnungstür erreicht hatten. »Ich werde mir selber eine Zeitung kaufen, vielleicht berichten ja noch mehr Blätter über die Sache.«
»Mag sein. Wie gesagt, es gab ja gestern eine richtige Pressekonferenz.«
»Ja! Eine Pressekonferenz«, wiederholte Konrad Schumann strahlend. »Toll, wirklich toll.«
Er ging die Treppe hinunter und blickte sich noch einmal lächelnd um. Edmund Linz wartete noch kurz und ging dann zurück in seine Wohnung. Er schloss die Tür, lehnte sich von innen dagegen und starrte zur Flurdecke. Wo bleibt der Anruf, dachte er. Dann raffte er sich blitzschnell auf, ging in die Küche, zum Fenster und sah noch Konrad Schumann, wie er in einen roten Ford Mondeo einstieg. Auf dem Beifahrersitz konnte er Sébastian Lumar erkennen, der die ganze Zeit unten im Wagen gewartet hatte.
*
Es war der nervenaufreibendste Sonntag, an den sich Edmund Linz erinnern konnte. Der Höhepunkt war schon vorüber, der Höhepunkt blieb das Erscheinen von Konrad Schumann am Morgen. Es war bereits nach sechs. Um drei war Edmund Linz schon drauf und dran gewesen, zum Verwaltungsgebäude der AMS zu fahren. Die Ausstellung war seit heute, täglich von 11:00 bis 19:00 Uhr geöffnet. Er hatte sich am Donnerstagabend den vorbereiteten Ausstellungsraum ansehen können. Es gab eine schrankhohe Vitrine in der Mitte des Raumes, die am Donnerstag noch leer war. An den Wänden waren Tafeln aufgehängt, die über Paul Gauguin berichteten. Es gab Fotografien vom Tahiti des späten neunzehnten Jahrhunderts und von den Marquesas . Es wurden auch Fotos von anderen Frauendarstellungen aus Gauguins Werk gezeigt. Auf einer Tafel wurde die Ausstellung im Folkwang Museum beworben, mit dem Hinweis, dass das Gauguin
Weitere Kostenlose Bücher