1981 - Richard
du das Geschäft hier alleine führen kannst. Vielleicht kannst du ja später noch einen Apotheker anstellen, der mit dir zusammen die Arbeiten erledigt, die die anderen nicht machen können.«
»Komisch«, sagte Florence nachdenklich, »das gleiche hat mir Colette auch empfohlen.«
»Wer?«, fragte Noël überrascht.
»Colette Halter, meine Freundin, die in München lebt, in Deutschland. Ich habe sie vor ein paar Tagen noch besucht.«
Noël nickte. »Hat sie das gesagt? Na siehst du, wenn das schon jemand fremdes so sieht, dann könnte es doch eine Möglichkeit sein, wobei ich glaube, dass du es auch allein schaffst, ganz sicher.« Er machte eine Pause und erhob sich wieder von ihrem Schreibtisch. »Wir werden sehen, wie es ausgeht. Isabelle würde zwar im Prinzip auch gerne hierbleiben, aber Tahiti reizt sie genauso. Tahiti ist für uns eben ein bisschen, wie anderswo die Großstadt. Es gibt mehr Möglichkeiten, auch für die Kinder. Hier gibt es zum Beispiel keine Oberschule.«
Florence schwieg zu diesem Thema. Sie und ihr Bruder waren auch auf den Marquesas aufgewachsen und es hatte Ihnen nicht geschadet. Sicher lag es daran, dass ihre Eltern sich den Privatunterricht leisten konnten, der später das Studium im Ausland ermöglichte. Die gleichen Möglichkeiten hatten aber auch ihre beiden Neffen. Wie immer es ausginge, Florence würde es akzeptieren. Sie würde die Apotheke auf Nuku Hiva auch alleine führen können, schließlich blieben ihr ja noch die Mitarbeiter. Mit Ihnen war sie ein eingespieltes Team. Irgendwo klingelte das Telefon. Noël horchte und stellte dann fest, dass es aus seinem Büro kam. Florence ließ sich in ihren Schreibtischstuhl sinken. Sie blickte zur Decke, wo der Ventilator leise surrte. Nach einigen Minuten stand sie auf, mit dem Ziel, im Labor vorbeizuschauen und auch dort kurz Hallo zu sagen.
4 Der Auftrag
Die Digitalkamera hatte Simon ganz vergessen. Er musste sie vorgestern im Cabriolet seiner Frau liegen gelassen haben. Colette hatte sie gefunden, als sie am nächsten Tag wieder ihren Wagen benutzte und sie hatte sie für ihn zu Hause auf den Schreibtisch gelegt. Er nahm die Kamera und steckte sie ein. Dann fuhr er ins Büro. Heinz Kühler war im Index nicht fündig geworden. Der Index war eine Liste mit Angaben zu gestohlenen Kunstwerken. Das Bild, das Ihnen dieser Edmund Linz angeboten hatte, war dort nicht aufgeführt. Ein erstes Ergebnis lag also vor. Die Begutachtung durch einen Experten stand heute Nachmittag an. Noch war es ein ganz normaler Kundenauftrag, sicherlich mit Potential, wie Simon immer gerne sagte, wenn es um Werteinschätzungen der Ihnen angebotenen Objekte ging. Simon saß an seinem Schreibtisch und sah sich einige Unterlagen durch, die ihm Frau Hoischen heute Morgen ins Büro gelegt hatte. Er fasste sich an die Innentasche seines Jacketts. Ihm fiel die Kamera wieder ein. Er hatte das Ölgemälde vor zwei Tagen fotografiert, an dem Tag als Edmund Linz es ihm präsentiert hatte. Die Kamera steckte nicht in seinem Jackett. Er hatte sie in seine Aktentasche gelegt, als er auf dem Parkplatz vor dem Gebäude ausgestiegen war. Er bückte sich nach seiner Tasche, die neben dem Schreibtisch lehnte. Er nahm die Kamera heraus und legte sie vor sich auf den Tisch. An der Kamera befand sich eine kleine Klappe, hinter der die Speicherkarte steckte. Er fummelte sie heraus und führte sie in den Kartenleser seines Computers ein. Die Karte funktionierte jetzt wie eine Diskette. Das Betriebssystem reagierte sofort und zeigte den Speicherinhalt an. Als er das Foto von dem Ölgemälde gemacht hatte, mussten sich noch andere Aufnahmen auf der Kamera befunden haben, dachte er, als ihm insgesamt achtzehn Dateien angezeigt wurden. Mit einem Doppelklick öffnete er eines der Bilder. Das Programm benötigte einige Sekunden, bis das Foto angezeigt wurde. Er war nicht überrascht, Colette und Florence vor einem gedeckten Tisch in einem Restaurant zu sehen. Er schmunzelte über die Pose der beiden. Simon ging die einzelnen Aufnahmen durch. Bilder von der Innenstadt und noch eines aus einem Restaurant. Die viertletzte Aufnahme war schließlich das Foto des Ölgemäldes. Er vergrößerte die Anzeige und ging so dicht wie möglich an das Bild heran, ohne zunächst den digitalen Zoom zu benutzen. Dadurch hatte er eine noch recht gute Auflösung. Die Aufnahme war klar, die Bildpixel traten noch nicht hervor. Erst jetzt zoomte er auf dem Monitor einzelne Bereiche des Bildes heran. Er sah
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