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1988 VX (SM)

1988 VX (SM)

Titel: 1988 VX (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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weiter herum. »Und da ist die Sanitätsstation! Beleuchtet. Und da das Proviantlager! Dunkel.« Sie trat vom Gerät zurück. Als auch Robert seinen Rundblick beendet hatte, sagte er: »Jeder, der mit raufkommt, muß sich alles in Ruhe ansehen, damit er eine gute Orientierung hat.«
Die optische Einführung ins Operationsgebiet erforderte geraume Zeit, und überdies gab es noch eine Reihe von Fragen, die im Flüsterton erörtert wurden. Alle sahen mindestens zweimal, einige sogar dreimal durchs Periskop, so daß es fast zwei Uhr wurde, bis jeder sich hinreichend unterrichtet glaubte.
Auch Golombek hatte das Camp betrachtet, obwohl er zusammen mit Igor, dem kräftigen Russen – im Unterstand bleiben sollte.
Um zwei Uhr sagte Robert: »Wir fangen an!« Er öffnete an seinem rechten Hosenbein einen Reißverschluß, zog ein Messer mit langer Klinge heraus, kletterte die Leiter empor, hieb die Klinge von unten her in den Grasboden und führte sie am Deckelrand entlang.
Golombek sah sich die Hosenbeine der anderen an, entdeckte die Reißverschlüsse, konnte aber nicht erkennen, ob hinter dem dunkelgrünen Stoff Messer steckten. Und wenn schon! beruhigte er sich. Sie sind halbe Soldaten, müssen es wohl auch sein.
Einmal, die Klinge war halb herum, fing er einen Blick Nadines auf. Er hatte in ihren dunklen Augen Kampfgeist vermutet, ein Strahlen der Begeisterung, war nun überrascht, Melancholie zu entdecken. Er fand das Mädchen schöner als je zuvor. Der Military-Look gab der kleinen, zarten Gestalt einen ganz besonderen Reiz. Vielleicht, überlegte er, hätte ich es doch noch einmal versuchen sollen! Und dachte sogar: Was nicht ist, kann noch werden, denn wir bleiben ja bestimmt noch eine Zeitlang zusammen. Er lächelte sie an. Sie lächelte zurück, aber selbst dieses Lächeln hatte, so schien ihm, etwas Bekümmertes, wenn nicht gar Verzagtes.
Ob sie Angst hat? fragte er sich.

5.
    Es war soweit. Ein letzter Rundblick durchs Periskop hatte keinerlei Bedenken aufkommen lassen. Robert machte das Licht aus. Zu viert hoben sie den armdicken Stützpfahl an und drückten die große, runde Holzscheibe mit der Sode darauf aus dem Boden, hoben sie so weit zur Seite, daß sie wie ein verschobener Deckel auf dem Schachtrand lag und Robert und Pierre über die Leiter hinausschlüpfen konnten. Am Vortage hatten sie darüber gesprochen, ob es günstiger wäre, den hölzernen Deckel mit dem Erdstück darauf von der Säule abzuschrauben und völlig vom Schacht zu entfernen oder es bei der halben Öffnung zu belassen. Das eine bedeutete einen Zeit-, das andere einen Platzverlust. Sie hatten sich dann für die zweite Version entschieden, weil sie alle – bis auf Igor, der aber ja unten blieb – schlank und geschmeidig waren und ohnehin nur einer zur Zeit die Leiter benutzen konnte.
    So folgten nun Nadine und Wladimir. Sie drückten sich am Deckelrand vorbei nach draußen. Der Ausstieg war geschafft.
    Igor und Golombek blieben im Unterstand zurück. Golombek brauchte eine Weile, bis er sich an die Dunkelheit gewöhnt hatte. Von dem kompakten Russen neben sich konnte er nur die Kontur erkennen. »Ich will mir das da draußen mal angucken«, sagte er und brachte das Periskop in Position. Da das lange Gestänge des Geräts keine Führung mehr hatte, mußte Igor es festhalten.
    »Aber nur ganz kurz«, sagte der Russe. »Wir müssen die Matratze in Position bringen. Stellen Sie sich vor, die Granate wird gebracht, und das Fahrzeug ist nicht startklar!«
    Golombek trat vor das Okular. Er hätte hinterher nicht erklären können, wie er es schaffte, den nur Sekunden währenden, aber alles verändernden Hergang, der wie eine kurze Filmszene vor seinen Augen ablief, in sich aufzunehmen und dabei nach außen hin gelassen zu bleiben. Es mußte der Instinkt sein, der ihm eingab, daß der Verlust der äußeren Ruhe den Verlust des Lebens zur Folge haben würde, denn nur solange er Igor glauben machte, er sähe nichts außer den vier durchs Camp schleichenden Partnern, konnte er den wohl gefährlichsten Moment seines bisherigen Lebens überbrücken und dann … handeln!
    Er sah Nadine. Es gab keinen Zweifel, sie war es, denn der Posten vor den Panzern, ein Mann von normalem Wuchs, war fast anderthalb Kopf größer als die Gestalt in seinem Rücken. Und er sah das Messer, sah im reichlich einfallenden Licht der Straßenlampen für den Bruchteil einer Sekunde den Stahl aufblitzen, und dann fuhr die einmal kurz hochgeschnellte Klinge dem Posten in den

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