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1988 VX (SM)

1988 VX (SM)

Titel: 1988 VX (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Weil es ein Inlandflug ist, brauchst du deinen Paß nicht vorzulegen. Also besorgst du das Ticket auf einen anderen Namen. Nimm ruhig einen spanischen, bist ja ein südländischer Typ. Luisa Martinez oder Patricia Sanchez oder so ähnlich. Wir treffen uns …, du kennst doch die Ramblas in Barcelona, nicht?«
»Im Moment weiß ich nicht …«
»Das ist die Straße mit dem breiten Bürgersteig in der Mitte.«
»Die mit den vielen Blumenständen?«
»Ja, und mit den Vogelhändlern. Von unten kommend, also vom Hafen her, die erste Voliere, da treffen wir uns!«
»Gut.«
»Hast du noch Traveller-Schecks?«
»Ja.«
»Vielleicht kannst du sie noch auf der Insel einwechseln. Aber das Wichtigste ist, daß dir niemand folgt, wenn du in Barcelona den Flughafen verläßt!«
»Und wenn doch?«
»Dann …, dann gehst du in ein Hotel, sagen wir, ins PRINCESA SOFIA. Irgendwann rufe ich dich da an. Alles klar?«
»Ja. Aber wer ist denn nun eigentlich hinter dir her, die Terroristen oder die Polizei?«
»Beide. Bis dann, Katharina! Nein, noch etwas! Laß deinen Wagen in der Nähe des Yachthafens stehen und nimm dir da …, nein, nicht da, geh erst ein Stück zu Fuß, also in die Stadt, und fahr dann zum Flughafen, mit einem Taxi!«
»Ja, das mach’ ich.«
»Also, bis dann!«
»Bis dann!«
Er hängte ein, ging zu seinem Wagen, fuhr weiter.
Vielleicht, dachte er, muß ich den VOLVO drangeben, ihn irgendwo abstellen und dann versuchen, über die grüne Grenze zu kommen. Natürlich kann ich ihn nicht einfach auf der Straße stehenlassen, jedenfalls nicht in Grenznähe; dann würde die Polizei sofort auf Spanien tippen. Nein, ich müßte ihn in einem abgelegenen Waldstück verstecken oder sogar in einem See versenken. Schließlich fiel ihm auch noch eine bequemere Möglichkeit ein: das Auto in ein Parkhaus von Perpignan zu bringen, in eins, das mehrere Decks hatte und in dem man bei der Einfahrt das Ticket mit dem Zeitstempel aus dem Automaten zog und die Gebühr erst beim Verlassen entrichtete. Und wenn, so überlegte er weiter, der VOLVO nach Wochen da gefunden wird, darf die Polizei gern auf Spanien tippen. Das wäre dann ja eine sehr alte Spur, die auch den Schluß zuließe, Spanien sei nur eine Zwischenstation gewesen auf einem langen, unbekannten Weg.
Er fühlte sich erschöpft, spürte am ganzen Körper die Anstrengungen der letzten Tage und Nächte. Doch er wußte genau, auch wenn er ein Bett hätte und genügend Zeit, würde er nicht schlafen können angesichts der ungeheuerlichen Vorkommnisse: Da taucht ein schönes Mädchen auf, erzählt ihm von ihrer Friedensliebe und der ihrer Freunde, überredet ihn, seine ganze Existenz einzubringen in ein glorioses, gegen die Wahnsinnigen dieser Welt gerichtetes Projekt, und am Ende stellt sich heraus, daß er sich vor den falschen Wagen hat spannen lassen!
Wer mögen sie in Wirklichkeit sein? fragte er sich. Und ob sie jetzt die Granate haben? Oder wollten sie die gar nicht? Waren sie nur darauf aus, ins Depot zu kommen, um die Panzer in die Luft zu jagen und noch einiges mehr? Moment! Natürlich wollten sie die Granate, denn sie hatten sich ja die VX-Daten und die Zeichnung besorgt, und klar ist mir jetzt auch, daß die detaillierten Angaben von diesem Haggerty stammen, wie überhaupt alles, was sie über das Depot wissen. Und ich Schwachkopf glaubte ihnen das Märchen von Nadines Schwester! Ob sie aus dem Osten gesteuert werden oder zur RAF gehören? Sie sind intelligent und sehen anständig aus und tun trotzdem solche Dinge! Wieso? Nadine zum Beispiel! Ich bin diesem kapriziösen Geschöpf regelrecht auf den Leim gegangen. Na, und Robert und Pierre und die beiden Russen und dieser Hilario aus Südamerika! Sie alle machen den Eindruck von Söhnen aus gutem Haus, wirken durch und durch wohlgeraten. Wie ist es nur möglich, daß das Böse sich in einer so gefälligen Form präsentiert?
Kurz vor Dijon legte er eine Pause ein, fuhr auf einen Parkplatz, wechselte erst jetzt die Schuhe, warf die Mokassins auf den Rücksitz, stieg aus, vertrat sich die Beine. Er wunderte sich über seinen Hunger, empfand Dank gegenüber Laura, die ihn noch kurz vor ihrem Tod mit Proviant versorgt hatte. Er schenkte sich Kaffee aus der Thermoskanne ein, aß ein Stück Brot, zündete sich eine Zigarette an, ging hin und her auf dem großen asphaltierten Platz. Und plötzlich erschreckte ihn die Erkenntnis, außer dem fatalen Pakt mit den Terroristen einen weiteren unverzeihlichen Fehler begangen zu haben. Ich

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