1988 VX (SM)
ja doch, die Täter so rechtzeitig zu fassen, daß es zu dem Giftgas-Einsatz gar nicht mehr kommt.«
Lemmert war mit seinem Bericht gegen vier Uhr an der Reihe. Er mußte sich kurz fassen, denn Schattner und Oberst Conrady wurden um sechs schon wieder in Bonn erwartet. Dort sollten sie mit Vertretern der Regierung zusammentreffen, um Bericht zu erstatten und um zu helfen, die militärischen und die politischen Konsequenzen aus dem Wasloher Anschlag aufeinander abzustimmen.
»Wie Sie wissen«, begann er, »wurde ich erst um zwanzig Minuten nach acht am Morgen des Attentats in meinem Quartier auf Ibiza angerufen und unterrichtet. Ich lief sofort zum Haus Nr. 11, aber die Frau war nicht mehr da. In der Rezeption erfuhr ich dann, daß sie schon um halb fünf zu einer Segeltour nach Malaga aufgebrochen war. Das konnte natürlich eine Finte sein, war es wohl auch. Trotzdem mußte ich der Spur nachgehen. Als meine Recherchen im Club und im Yachthafen, die leider keinen Erfolg hatten, beendet waren, fuhr ich zum Flugplatz. Zu der Zeit waren aber bereits zwei Maschinen abgeflogen, eine nach Deutschland, die andere nach Barcelona. Was die nach Deutschland betrifft, habe ich sofort den Zielflughafen angerufen, aber dort stieg dann keine Katharina Golombek aus, jedenfalls keine weibliche Person mit einem Paß auf diesen Namen. Für einen Anruf auf dem Flughafen Barcelona war es zu spät. Die Maschine war zu diesem Zeitpunkt längst gelandet, und die Passagiere waren abgefertigt. In der Liste stand auch keine Katharina Golombek, was allerdings noch nichts besagt, denn es handelte sich ja um einen Inlandflug, und da hätte die Dame sich als Kaiserin von China oder als Miß Piggy eintragen lassen können. Ich nehme aber an, daß sie die Insel verlassen hat, um ihren Mann zu treffen. Dafür kommen die Bundesrepublik und Spanien ebenso in Frage wie jedes andere Land, denn natürlich besteht die Möglichkeit, daß beide mit falschen Papieren unterwegs sind. Vielleicht erreichen wir ja was über INTERPOL. Soweit mein Bericht. Leider ist er unbefriedigend. Aber ich stelle ausdrücklich fest, daß ich den Vogel gefangen hätte, wenn ich früher informiert worden wäre. Der Anschlag wurde um kurz nach drei Uhr aufgedeckt, und da hätte ich doch wohl spätestens um vier Uhr Bescheid haben können!«
Schattner machte eine beschwichtigende Handbewegung. »Mein lieber Lemmert, Sie ahnen ja nicht, was hier los war! Zunächst waren ja auch nur unsere Kollegen von der Landespolizei mit der Sache befaßt, also mit der Ringfahndung und so weiter. Wir selbst trafen zwei Stunden später vor Ort ein, um die Maßnahmen zu koordinieren, und dachten dabei natürlich nicht sofort an eine Frau Golombek auf Ibiza.«
»Immerhin«, antwortete Lemmert, »war ich nach dort in Marsch gesetzt worden.«
»Das schon, aber ja nur auf Ihr Drängen hin und weil Sie Ihre doch recht eigenwillige Theorie über den Zusammenhang zwischen sportlichen Disziplinen und Amouren aufgestellt hatten. Schließlich sind wir ja auch jetzt noch nicht sicher, daß Frau Golombek sich mit ihrem Mann getroffen hat. Vielleicht ist sie tatsächlich unterwegs nach Malaga, mit dem Segelschiff, und der Skipper hat das Ausklarieren vergessen. Womöglich leistet sie sich mal wieder eine Eskapade. Wäre ja nicht ihre erste. Und Frank Golombek? Der kann wer weiß wo in der Welt sitzen!«
»Weiß man, von wo aus er die Wasloher Polizei angerufen hat?«
»Nein, der Beamte war so aufgeregt, daß er seine Notizen ins Wachbuch geschrieben hat. Außerdem war er allein. Eine Vorrichtung für Fangschaltungen haben unsere örtlichen Polizeidienststellen nicht, aber selbst wenn der Kollege in Wasloh sie gehabt hätte: Im Ausland wäre er damit nichts geworden. Und bestimmt war’s eine Telefonzelle, vielleicht eine in Tanger, vielleicht eine auf Grönland, denn als Golombek anrief, war der Coup von Wasloh schon acht Stunden alt. Und vergessen Sie nicht, der Mann ist wohlhabend, kann sich also einen Jet mieten und überhaupt in Sachen ›Flucht‹ einiges mehr auf die Beine stellen als andere. Übrigens hat er in den letzten Tagen vor dem Anschlag beträchtliche Summen von seinem Konto abgehoben, und Leute wie er haben dann ja meistens auch eine Kuh in der Schweiz stehen, die sie melken können.« Schattner stand auf. Die Männer trennten sich.
Lemmert fuhr nach Haus. In seinem Wohnzimmer prangte noch immer das Tafelbild. Er stellte sich davor, dachte: Malaga! Und dachte: Wenn die Reiter jetzt auch
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