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1988 VX (SM)

1988 VX (SM)

Titel: 1988 VX (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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antwortete Hilario nur: »Ein Grund mehr, sich zu beeilen. Los! Dorthin, wo die Nachrichten gesprochen werden. Wir schießen sofort, wenn Sie sich querstellen.«
Der kleine Trupp ging weiter. Über der Tür des Senderaums sah Hilario die grüne Lampe. Sehr gut! dachte er, denn auch das hatte er bei seinem ersten Besuch gelernt: Rotes Licht würde das Unternehmen erschweren. Müßten sie nämlich gewaltsam eindringen, während das Mikro gerade offen war, ginge zumindest der Auftakt des Überfalls in den Äther, und dann wäre sofort die Polizei da. Er ließ Böckler die Tür öffnen, drang, an ihm vorbei, in den Raum ein, in dem sich der Nachrichtenredakteur und der Sprecher befanden. Unterdessen sorgten Wladimir und Sieglinde dafür, daß die beiden Geiseln draußen auf dem Flur unter Kontrolle blieben. In diesem Augenblick öffnete sich die Nebentür, und heraus kam ein älterer, pfeiferauchender Mann, der eine Akte in der Hand hatte. Er sah die auf seine Kollegen gerichteten Waffen, erfaßte, was sich da abspielte, wollte in sein Zimmer zurück. Wladimir sprang auf ihn zu, erwischte ihn nicht, konnte aber seinen Fuß zwischen Tür und Rahmen stellen, folgte dem Flüchtenden und schrie ihn an: »Wenn Sie nicht mitkommen, schieße ich!«
Der andere hatte schon den Telefonhörer in der Hand, und dann machte Wladimir kurzen Prozeß, legte an, drückte ab. Der Mann griff sich mit beiden Händen an die Brust, kippte vornüber, fiel mit dem Oberkörper auf den Schreibtisch, rutschte ab, glitt zu Boden, blieb reglos liegen. Der Russe beugte sich über ihn, erkannte, daß er tot war, verließ das Zimmer, lief in den Raum, in dem Hilario und Sieglinde mittlerweile vier Menschen in Schach hielten: Böckler, die Blonde, den Nachrichtenredakteur und einen noch sehr jungen Mann, der gerade ein Telex abgerissen hatte, es noch in der Hand hielt.
An ihn wandte Hilario sich jetzt mit der Frage: »Bist du der Sprecher?«
»Ja«, lautete die Antwort.
»Was sendet ihr gerade?«
»Musik.«
»Hier!« Hilario warf ihm ein Band zu. »Leg es auf, sobald ich das Kommando gebe!«
Der Sprecher hatte sein Papier fallen gelassen und das Band aufgefangen. Er sah es sich kurz an, schien sehr mutig, denn er warf es sofort zurück, so daß Hilario gar nichts anderes übrigblieb, als es ebenfalls aufzufangen. Und dann kam die Erklärung, kurz und bündig: »Das Ding paßt nicht in unser System!«
Hilario glaubte ihm nicht, war wütend über so viel Kaltschnäuzigkeit, sah aber ein, daß jetzt keine Zeit war zum Streiten. Er steckte das Band ein und sagte: »Nun hör mir mal gut zu, du Nachteule! Du sprichst jetzt diesen Text«, er holte ein beschriebenes Blatt Papier aus der Tasche, »auf eins eurer Bänder, gehst damit aber noch nicht auf Sendung, sondern spielst es uns erstmal vor. Dann verschwinden wir, nehmen allerdings die Süße vom Empfang mit. Und Sie …«, er wandte sich an Böckler, »machen uns unten die Tür auf. Sobald wir draußen sind, wird das Band gesendet, zehn volle Minuten lang, immer wieder. Wir überprüfen das mit unserem Autoradio. Und auch wenn die Bullen euch die Bude einrennen: Ihr sendet weiter! Danach könnt ihr tun und lassen, was ihr wollt. Solltet ihr vor Ablauf der zehn Minuten aufhören, müßt ihr die Stelle eurer Empfangsdame neu ausschreiben.«
Der Sprecher sah seine Kollegin an. Ein Blick von einer einzigen Sekunde genügte. Er tat, was Hilario verlangt hatte, legte ein Band ein, nahm das Papier und sprach ins Mikro:
»Meine Damen und Herren, wir unterbrechen unsere Sendung und bringen eine wichtige Durchsage. Die Organisation VITANOVA, die am vergangenen Freitag das Sondermunitions-Depot von Wasloh überfiel, hat bei ihrem Anschlag zwei mit VX gefüllte Granaten erbeutet. VX ist ein hochgiftiges Nervengas, das schon in allerkleinsten Mengen tödlich wirkt. Die Gruppe hat angekündigt, daß sie die furchtbare Waffe irgendwo in der Bundesrepublik zum Einsatz bringen wird. In ihrem Bekennerbrief bezeichnet sie den Anschlag auf das Depot als ein gezieltes Vorgehen gegen amerikanische Einrichtungen in Westdeutschland. Wir wiederholen diese Durchsage von jetzt an zehn Minuten lang. Vermutlich wird die Bundesregierung in Kürze bekanntgeben, was die Bevölkerung zu tun hat.«
Er legte das Papier auf den Tisch zurück, sah Hilario voller Entsetzen an.
»Zurückspulen und anschließend laufen lassen«, sagte dieser, »aber noch nicht auf Sendung gehen!« Er hielt dem jungen Mann seine Waffe an die Schläfe.
Das Band

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