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1988 VX (SM)

1988 VX (SM)

Titel: 1988 VX (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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deinen Job verlieren solltest, bring’ ich dich beim Theater unter, einsetzbar als hochbegabter Schreihals.« Er warf einen Blick auf Igor, der nach wie vor in seinem Bett lag und höchstens an der alten Kopfwunde litt und vielleicht auch ein bißchen an der Knebelung.
Der uniformierte Polizist saß auf der Bettkante. Er fragte: »Soll ich ihm jetzt den Knebel abnehmen?«
»Erst, wenn wir weg sind«, sagte Lemmert. »Sonst brüllt er ihr womöglich die Wahrheit zu, und unser schöner Erfolg ist im Eimer.«
Er gab noch ein paar Anweisungen, vor allem für den Fall, daß weitere Mitglieder der VTTANOVA auftauchten. Dann ging die Fahrt los. Wieder nahm er Frank Golombek mit, weil niemand die Umgebung von Wasloh besser kannte als er.

14.
    Sie hatten die zweite Granate sichergestellt, waren aber übereingekommen, diesen Erfolg geheimzuhalten. Der Krisenstab hatte wiederum eine Güterabwägung vorgenommen: Sollte man der Bevölkerung mitteilen, daß die größte Gefahr vorüber war, und sich dadurch der Chance begeben, noch mehr Mitglieder der VITANOVA festnehmen zu können? Oder sollte man die Menschen weiterhin in Angst halten, mit dem Ziel, die Terroristen in eine Falle laufen zu lassen? Die Meinung darüber war nicht einhellig gewesen, doch dann hatten zwei Argumente den Ausschlag gegeben für die Aufrechterhaltung des Notstands, ein eher praktisches und ein strategisches. Das praktische war: Die Fachleute konnten zwar errechnen, welche Menge Kampfgas in der geöffneten Granate fehlte, aber niemand vermochte zu sagen, wieviel davon sich in den beiden auf der ALBATROS eingesetzten Minen befunden hatte. Es bestand die Möglichkeit, daß das extrahierte VX für mehr als nur zwei Minen benutzt worden war und an unbekanntem Ort zusätzliche Zeitbomben tickten. Das strategische Argument lautete: Sollten die Täter sich auf Grund der Nachrichtensperre in Sicherheit wiegen und versuchen, die zweite Granate zu holen, würde man sie fassen.
    So waren nun zwölf Männer um das leergeräumte Versteck postiert worden. Sie saßen auf Bäumen, hockten hinter Büschen, lagen in der Schonung und im Graben neben der Straße. Zwei hatten sich am Waldrand auf einen Hochsitz begeben, der früher einmal zum Jagdrevier der Familie Golombek gehört hatte. Sie warteten auf den Abend. Schattner hatte gesagt:
    »Wenn sie kommen, kommen sie nach Einbruch der Dunkelheit.«
Eine zweite Gruppe hielt den Bio-Hof besetzt. Dieser Einsatz indes hatte seine Tücke. Sollte nämlich ein VITANOVA-Mitglied auf dem Hof anrufen, bestände die Gefahr, daß die dort aufgestellte Falle unwirksam wurde und daraufhin die andere womöglich auch nicht mehr funktionierte. In der eilig anberaumten Sondersitzung des Krisenstabs hatte Schattner gefragt:
»Wer hat eine Idee, wie wir im Falle eines Anrufs den Eindruck aufrechterhalten können, auf dem Hof sei alles in Ordnung?« Und nach einer kurzen Pause hatte er hinzugefügt: »Aber bitte keine postalischen Kinkerlitzchen wie ›Kein Anschluß unter dieser Nummer‹ oder ›Die Leitung ist vorübergehend gestört‹!«
Daraufhin hatte Lemmert vorgeschlagen: »Das Mädchen kriegt einen fertigen Text. Seit unserer großen Show frißt sie uns aus der Hand.«
Aber Ahrens war skeptisch gewesen, hatte erwidert:
»Das ist zu riskant. Wir wissen nicht, welche Codes sie vereinbart haben für den Fall, daß Gefahr droht. Sie braucht nicht mal was zu sagen, braucht nur in bestimmten Intervallen zu husten oder sich zu räuspern oder den Anrufer mit ›Balthasar‹ anzureden, obwohl er anders heißt, und das bedeutet dann: ›Bleibt, wo ihr seid!‹«
Lemmert hatte das eingesehen und war mit einem zweiten Vorschlag gekommen: »Auf der langen Autofahrt hab’ ich sie ausgequetscht und dabei rausgekriegt, daß es außer dem Briefträger noch eine andere neutrale Person gibt, die manchmal auf dem Hof erscheint. Das ist der Arzt. Den könnten wir hinbeordern. Kommt dann ein Anruf, nimmt er ab und sagt, der Kranke habe in die Klinik gemußt und sein Mädchen sei mitgefahren. Er, also der Doktor, habe bei seinem Besuch das Etui mit den Ampullen liegengelassen und sei zurückgekehrt, um das Ding zu holen.«
»Und wie ist er reingekommen?« hatte Schattner gefragt.
Lemmerts Antwort: »Sie haben ihm gesagt, wo der Schlüssel liegt.«
Doch Schattner hatte diese Lösung als ›zu fisselig‹ bezeichnet und schließlich angeordnet, nicht ans Telefon zu gehen, wenn es läuten sollte.
    Lemmert und Ahrens gehörten zur Hofbesatzung. Golombek war

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