1988 VX (SM)
nach Texas eingewanderten deutschen Großeltern mütterlicherseits und seinen verschiedenen Stationen als US-Offizier in der Bundesrepublik und wie es zu seiner Versetzung von Mannheim nach Wasloh gekommen war.
»Hat man eigentlich im Mordfall Braden neue Erkenntnisse gewonnen?« fragte Golombek.
Der Colonel schüttelte den Kopf. »Nichts Konkretes. Es ist, als gäbe es die VITANOVA nicht mehr. Der Anschlag im Tennisclub und eine Stunde später die Erklärung gegenüber dem WESTKURIER, das sind die beiden einzigen bekanntgewordenen Aktionen dieser Leute. Danach nur Schweigen. Wir glauben, daß die VITANOVA sich aus dieser Gegend zurückgezogen hat.«
»Ist es«, fragte Golombek weiter, »für eine solche Vermutung nicht ein bißchen zu früh? Fünf Wochen, das ist doch …«, er schnippte mit Daumen und Mittelfinger, »nichts.«
»Wenn fünfundvierzig Tips aus der Bevölkerung im Sande verlaufen und die Hinweise auf vier verdächtige Wohnungen sich nicht bestätigen und ein Riesenaufgebot an amerikanischen und deutschen Sicherheitsbeamten nichts, aber auch gar nichts findet, muß man einfach annehmen, daß die VITANOVA sich abgesetzt hat. Das würde sich übrigens decken mit den bisherigen Informationen, die wir über die Gruppe haben. Sie ist ja noch nicht sehr alt, existiert aber doch schon so lange, daß wir einige Gewohnheiten feststellen konnten, zum Beispiel, daß sie international operiert. Vielleicht sind die Burschen längst auf Hawaii oder Okinawa, um uns demnächst dort zu ärgern.« Er leerte sein Glas, stand auf. »Nun muß ich aber gehen. Ich habe Sie schon viel zu lange aufgehalten.«
Auch Frank Golombek stand auf. »Eine Frage noch, Colonel , wenn Sie erlauben! Sie meinen, es bestehe vorerst keine Gefahr, daß es zu einem Anschlag auf Ihr Depot kommt? Denn genau das war ja nach dem Mord an Braden die allgemeine Befürchtung: daß irgend etwas mit dem Depot passiert. Sie meinen also, wir können ganz beruhigt sein?«
»Ja, das können Sie. Die Sicherheitsvorkehrungen sind optimal.«
Golombek wiegte den Kopf, machte dann aber seine Zweifel auch mit Worten deutlich: »Immerhin sind trotz der umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen zwei Dinge passiert, die eigentlich nicht hätten passieren dürfen. Braden wurde ermordet, und das Depot wurde aus der Luft fotografiert.«
»Das war vor fünf Wochen. Jetzt sind wir besser.«
»Sie haben zwei Aktionen der VITANOVA erwähnt, den Mord und den Bekenneranruf. Warum nicht auch den Schwarzstorch?«
»Es ist nicht sicher, daß diese Aktion auf das Konto der VITANOVA geht, und außerdem gab uns der Vogel keinen Aufschluß darüber, ob er, als wir ihn fanden, schon eingesetzt oder nur für einen Einsatz bereitgehalten worden war.«
»Wissen Sie eigentlich, daß man wegen dieses Vogels sogar unsere verstorbene Tochter und mich verdächtigt hat?«
»Ja, das weiß ich. Aber unsere Männer waren verständlicherweise nervös, und so etwas führt leicht zu Überreaktionen. Sie tragen es uns hoffentlich nicht nach.«
»Nein, und wenn wir nun Reiterfreunde werden, schon gar nicht. Hätten Sie Lust, sich unsere Stallungen anzusehen?« »Gern, wenn es Ihnen nicht zuviel Zeit nimmt.«
Der Colonel verabschiedete sich von der Hausherrin, und die beiden Männer gingen hinaus.
Katharina schenkte sich noch einmal ein und wechselte über zu ihrer Chaiselongue, einem schönen, alten Möbel, das einen schräg aufgerichteten Kopfteil hatte, so daß man darauf in halb sitzender, halb liegender Haltung ruhen konnte. Das Glas stellte sie auf den kleinen Beitisch.
Was für ein Mann, dieser Mike Morrison! dachte sie. Frank hat seit drei Monaten nicht mehr mit mir geschlafen. Macht er sich eigentlich Gedanken darüber, wie ich damit zurechtkomme? Mein Gott, wenn ich ihm auch nur einen meiner vielen wilden Träume erzählte, müßte er vor Scham im Boden versinken, ganz einfach deshalb, weil er zuläßt, daß solche Träume entstehen. Neulich erst, vor sieben oder acht Tagen oder vielmehr Nächten. Ich in der vollbesetzten dunklen Straßenbahn. Ich weiß nicht, wohin es geht, fahre nur durch die Nacht, stehe hinten auf der Plattform im dichten Gedränge. Meine Linke umschließt die kleine Abendtasche, und die Rechte steckt oben in der Halteschlaufe. Abendtasche und Straßenbahn, die beiden passen natürlich nicht zusammen, aber Träume biegen das nun mal so hin, und so steh’ ich da und hab’ ein bißchen Angst um das perlenbesetzte Etui, in dem auch mein Geld steckt. Doch dann kommt die
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