1988 VX (SM)
Attacke von ganz woanders. Ich denk’ erst: eine MAUSER! So ein Ding, wie Frank es hat. Und krieg’ einen Schreck. Und dann denk’ ich: viel zu tief angesetzt. Müßte doch eigentlich der Rücken sein. Aber so tief? Und krieg’ wieder ’n Schreck: keine Pistole! Ganz was anderes. So ein Ding, wie Frank es offenbar nicht mehr hat. Und weiß nicht recht, ob ich erstarren soll oder dieses wahnsinnig Plumpe, Direkte vielleicht sogar will. Ich scheine es zu wollen, denn sonst hätte mein Traum mir die Empörung doch gleich mitgeliefert. Hat er nicht. Im Gegenteil. Mir ist wohlig bis in die Haarwurzeln, und ich verspüre einen Schauer den das VALORON nie zustande bringt, ziehe also die Hand aus der Schlaufe, lasse sie erstmal runterhängen. Und dann geht sie wieder rauf, ein Stück den Rock entlang, fast bis zur Hüfte, verweilt dort, ist unschlüssig, so als wäre sie es, die zu entscheiden hat. Dann ruckelt es in der Kurve, und ich werde fast wahnsinnig. Meine Hand setzt sich wieder in Bewegung, plötzlich gar nicht mehr zaghaft, so daß ich wieder erschrecke, diesmal vor mir selbst. Ganz herum um die Hüfte und dann nach unten. Ich denk’ noch: Tweed? Kammgarn? Flanell? Jeans vielleicht! Und greif an das Ding. Und da ist es was ganz anderes! Ein Rettich! Ich zieh’ meine Hand weg, fühl’ mich elend, dreh’ mich um.
Mein Gott, ein Rettich! Eine Straßenlampe leuchtet herein und zeigt mir das kleine Mädchen, das da steht mit dem Korb im Arm, und das Licht reicht sogar, mich den einen, übermütig über den Rand ragenden weißen Schaft erkennen zu lassen. Deprimierend das alles!
Oder der andere Traum! Ich steh’ im Lift des PLAZAHotels in Kopenhagen. Ob es rauf- oder runtergeht, weiß ich nicht, ebensowenig weiß ich, ob es Winter ist oder Sommer und wie spät am Tag und ob ich überhaupt in dem Hotel wohne. Weiß nur, daß es den anderen in der Kabine gibt und mich, sonst niemanden. Wir stehen da ganz züchtig, jeder in seiner Ecke. Er liest die BERLINSKE TIDENDE oder das EXTRA-BLADET oder wie die Zeitungen da heißen. Jedenfalls denk’ ich gleich: Also ein Wikinger und demnach wohl markig. Ich guck’ mir gar nicht an, was für ein Gesicht er hat, nehm’ nur verschwommen wahr, daß er groß ist und blond und jung, und plötzlich rutscht ihm ein Blatt seiner Zeitung zwischen den Fingern weg, segelt auf den Teppichboden. Sofort bückt er sich, kniet sich dann sogar hin, greift aber nicht nach der Zeitung, sondern nähert sich mir auf allen vieren. Und bestimmt hat es was zu sagen, daß ich in den Träumen immer Röcke trage oder Kleider. Wohl wegen der bequemeren Regie, wer auch immer die in der Hand hat. Jedenfalls seh’ ich den Blondschopf gegen meinen Rocksaum anbranden und schließlich darunter verschwinden. Und auch in puncto Stoppen und Türöffnen und Zusteigen hat die Regie es natürlich leicht; folglich hält der Lift nicht an, sondern gleitet immer weiter. So hohe Hotels gibt’s gar nicht! Es ist herrlich, aber irgendwann stößt einer von uns mit dem Ellbogen gegen den Alarmknopf, und dann reißt mich der blöde Wecker aus dem Fahrstuhl, weil es Dienstagmorgen ist und der Kreisveterinär sich angemeldet hat. Und jetzt interessiert mich, aber nur ein bißchen, was da eigentlich ablauft, wenn man mitten in einem Traum geweckt wird: Lenkt der Wecker den Traum in Richtung Alarmknopf, um noch ganz schnell einen Zusammenhang zwischen Traum und Wirklichkeit herzustellen? Oder löst der Wecker den ganzen langen Traum überhaupt erst aus, um ihn dann über die vielen Stationen der Lust hinzulenken zu dem Moment, in dem der Ellbogen den Knopf erwischt?
Wie immer das sein mag, vorgestern war’s jedenfalls kein Traum! Das war Wirklichkeit, und die Regie hatte ich! Und es hat funktioniert. Hurra, es hat funktioniert! Mike Morrison wird ein und aus gehen bei uns, wird unsere Pferde reiten, sich vielleicht mit Frank anfreunden, und ich bin nicht mehr auf die Träume angewiesen. Sagt er doch vorgestern im Rathaus zu mir: » Mrs. Golombek, ist es Ihnen denn noch gar nicht aufgefallen, daß wir uns innerhalb einer Woche viermal wie zufällig getroffen haben?«
» Colonel , wollen Sie damit andeuten, daß Sie es immer darauf abgesehen hatten, mir zu begegnen?«
»Das will ich nicht andeuten; das will ich bekennen!« »Ihr Vorgänger suchte sich eine Zwanzigjährige; ich bin mehr als doppelt so alt.«
»Immerhin starb mein Vorgänger an dieser Zwanzigjährigen, aber davon mal abgesehen, was sind schon
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