1988 VX (SM)
rausgegangen ist, wagt sie sogar ein Lächeln, und ich grinse natürlich zurück. Dann steh’ ich auf, geh’ rüber und frag’ sie, ob man sie allein gelassen hat. ›Ja‹, sagt sie. Und dann sagt sie, es wär’ sowieso nur einer aus ihrer Firma gewesen. Ich weiß nicht, ob das stimmte oder ob sie mir Mut machen wollte. Ich nahm jedenfalls meine Chance wahr, lud sie ein zu einem Drink, und wie so was dann weiterläuft, brauch’ ich dir ja wohl nicht zu erzählen.«
Haggerty entnahm der Akte, die auf dem Tisch lag, eine Liste, und dann waren die beiden Männer eine Viertelstunde lang mit der Aufstellung der Wachmannschaften befaßt. Als der Plan stand, brachen sie auf. Bob Towler brachte Haggerty im Jeep zur Bushaltestelle.
»Wieso holt sie dich denn nicht mit dem Auto ab?« fragte er. »Wo ihr doch sowieso gleich ein paar hundert Kilometer fahren wollt.«
»Sie kriegt den Wagen ihres Vaters erst um neun.«
Der Bus kam, und Haggerty stieg ein, setzte sich, winkte durch die Scheibe Bob Towler noch einmal zu.
Als er einige Minuten später in Wasloh ausstieg, war Sophie mit dem PASSAT schon an der Station. »Nanu?« sagte er, nachdem er die Tür zum Beifahrersitz geöffnet hatte.
»Ich kriegte den Wagen etwas früher, aber ich konnte ja nicht zum Camp fahren, weil ich wußte, daß du im Bus warst.«
Er warf seine Reisetasche und auch seine Mütze mit dem weitausladenden grünen Schirm nach hinten und setzte sich neben Sophie.
Es war ein warmer Tag, und so war auch sie sommerlich gekleidet, trug einen kurzen Rock aus blauem Jeansstoff und ein gelbes T-Shirt mit dem LACOSTE-Krokodil. Strümpfe trug sie nicht. Ihre Füße steckten in ebenfalls blauen Leinenschuhen.
Als sie den Ort verließen, sah sie kurz in den Rückspiegel und gab dann Gas.
»Freust du dich?« fragte er.
»Und wie! Ich hab’ bloß ein Problem.«
»Das lösen wir. Was quält dich?«
Da Sophie besser englisch sprach als Haggerty deutsch, unterhielten sie sich in seiner Sprache.
»Ich hab’ noch nichts gegessen«, sagte sie, »und dann ist mir immer so flau im Magen. Hatte Krach mit meiner Mutter und hab’ kurzerhand das Frühstück eingepackt.« Sie griff, ohne den Blick von der Straße zu nehmen, nach hinten, zog dort ein Tuch weg, und zum Vorschein kam ein Bastkorb mit belegten Broten, Eiern, Tomaten, Tellern, Bechern und einer Thermoskanne.
»Also frühstücken wir erstmal!« sagte er. »Ich hab’ auch bloß im Stehen ein Stück Salami zwischen die Zähne geschoben, kann also gut mithalten. Nehmen wir den nächsten Rastplatz!«
»Ich weiß was Besseres«, erwiderte sie. »Ein paar Kilometer hinter Hegenau geht ein Weg ab zu einem tollen Picknickplatz. Da haben wir als Kinder Brombeeren gepflückt. Beschließen wir einfach, daß unsere Ferien schon jetzt anfangen!«
»Gute Idee! Aber wenn du Krach hattest, wieso haben sie dir trotzdem den Wagen gegeben und geben dir auch das Sommerhaus?«
»Krach mit meiner Mutter bedeutet nicht Krach mit meinem Vater. Weil zwischen den beiden der Krach ein Dauerzustand ist, freut mein Vater sich immer riesig, wenn meine Mutter und ich aneinandergeraten. Und über Haus und Auto und solche Dinge entscheidet er.«
Sophies Familienverhältnisse interessierten Jeff Haggerty nur am Rande, und so sah er nun auf ihre nackten Beine, dachte: viel schöner als die Kalenderpuppe von Vargas! Er legte seine Hand auf Sophies Knie.
»Nicht jetzt«, sagte sie. »Sonst elektrisierst du mich, und ich fahre gegen einen Baum.«
Er zog seine Hand zurück. Sie kamen durch Hegenau, und als sie nach vier Kilometern die Abzweigung erreichten, hielt Sophie kurz an, sah noch einmal in den Spiegel, tat dabei so, als wischte sie sich eine Wimper aus dem Auge.
Dann fuhr sie wieder an, bog rechts ein. Es ging durch einen Forst mit acht bis zehn Meter hohen Tannen. Nach einigen Minuten erreichten sie eine Lichtung, stiegen aus. Sophie warf Haggerty eine Wolldecke zu und nahm selbst den Korb in die Hand.
»Hab’ ich einen Hunger!« sagte sie.
Sie entfernten sich ein kleines Stück vom Weg, und dann breitete Haggerty die Decke auf dem von Moos und Tannennadeln bedeckten Boden aus. Sophie leerte den Korb, schenkte Kaffee ein und legte die Brote auf die Pappteller. Sie begannen zu frühstücken.
»Was meinst du«, fragte er, »wie lange fahren wir bis Ostende?«
»Fünf Stunden etwa. Mein Vater hat es schon mal in vier Stunden und fünf Minuten geschafft, aber das war nachts, als die Straßen leer waren. Auf jeden Fall haben wir Zeit genug,
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