1988 VX (SM)
in Deutschland.« Das behutsame Ausfragen dauerte noch eine ganze Weile. Dann wurde er direkt:
»Was ist Ihr Ziel, und wie sieht der Weg dahin aus?« Sie griff in die Aktentasche, die auf dem Nebenstuhl stand, tastete an der Huka-Pfeife entlang und holte ein Zigarettenetui heraus, hielt es Golombek geöffnet hin. Er wollte jetzt nicht rauchen, nahm das auf dem Tisch liegende Streichholzbüchlein zur Hand und gab ihr Feuer.
»Danke«, sagte sie, und dann überraschte sie ihn mit einer ganz knappen, präzisen Antwort: »Wir wollen in das Depot eindringen und uns eine Granate holen.«
»Wozu?«
»Zum Beweis, daß man das kann.«
»Man wird Sie nicht hineinlassen.« Er sagte das so leichthin, als wollte er einer noch kindlichen Kinobesucherin bedeuten, sie sei zu jung für den Film und man werde sie an der Kasse zurückweisen.
Sie hatte das Dossier über Golombek sorgfältig gelesen, und so fiel es ihr nicht schwer, seine Position zu vertreten. Sie nickte und sagte dann: »Albert Einstein wurde einmal gefragt, ob er sich vorstellen könne, mit welchen Waffen man den Dritten Weltkrieg führen würde. Er soll geantwortet haben, falls es den gäbe, würde man im Vierten wahrscheinlich nur noch Äxte und Steinschleudern einsetzen. Oder so ähnlich hat er sich ausgedrückt. Der Wahnsinn, der dort in der Erde liegt …«, sie zeigte kurz mit dem Daumen über ihre Schulter, und er stellte fest, daß die Richtung stimmte, »ist eine Herausforderung an alle, die ein Interesse daran haben, weiterzuleben. Es muß einen Weg geben, diesen verdammten Zaun niederzureißen und dann da hineinzukommen!«
»Ihre Gruppe hat acht Mitglieder?«
»Ja.«
»Was für Menschen sind das?«
»Es sind fünf Männer und drei Frauen. Der Älteste ist um die Vierzig; ich bin die Jüngste. Es sind drei Deutsche, zwei Russen, zwei Franzosen und ein Südamerikaner.«
»Doch keine Terroristen?«
»Bis zu einem gewissen Grade durchaus; insofern nämlich, als Gewalt gegen Sachen in Frage kommt.«
»Das hab’ ich doch schon mal gehört!«
»Sicher. Aber bei uns ist es ein bißchen differenzierter. Keine Telefonmasten, deren allgemeine Nützlichkeit außer Frage steht, sondern Gewalt gegen Einrichtungen, die der Tötung von Menschen dienen, also zum Beispiel gegen
das Lager mit Nervengas. Wer dieses Depot duldet, ohne etwas dagegen zu unternehmen, verdient dieses Depot. Das klingt überspitzt, denn Kinder und Alte und Kranke können nichts tun. Aber auf die anderen trifft es zu.«
»Wie haben Sie sich meine Hilfe vorgestellt?« Wieder griff sie in ihre Aktentasche, entnahm ihr ein mehrfach gefaltetes Stück Papier, legte es auf den Tisch, breitete es aus, und er war nicht ungehalten, nur erstaunt, den Lageplan seines Besitzes mit genauen Maßangaben vor Augen zu haben. »Noch ein Beispiel«, sagte sie und klopfte auf den großen Bogen, der fast den ganzen Tisch bedeckte, »wie wir das Recht auf Gewalt definieren. Dazu gehört also, wenn es sein muß, auch mal ein Einbruch ins Katasteramt. Aber wir zerstören es nicht, holen uns nur, was wir brauchen.«
Er nickte, und das hieß nicht nur Verständnis, es hieß auch Anerkennung.
Sie griff noch einmal in ihre Tasche, holte diesmal einen Stapel Fotos heraus, reichte sie über den Tisch. »Den Plan darf der Kellner sehen«, sagte sie, »aber diese Bilder lieber nicht. Seien Sie also vorsichtig! Legen Sie sie hier hinein!«
Sie gab ihm den FIGARO. Er schob die Fotos in die gefaltete Zeitung, besah sich die Aufnahmen.
»Donnerwetter!« sagte er. »Dann war das also Ihre Gruppe, die den Schwarzstorch eingesetzt hat?«
»Ja.«
Er erschrak.
»Und Colonel Braden? War das etwa auch Ihr Werk?« Sie schüttelte energisch den Kopf. »Nein! Dieser Anschlag machte uns einen Strich durch die Rechnung, war ein einziges Malheur für uns. Abgesehen davon, daß wir Mord verabscheuen, brachte das Attentat unsere ganze Fotoaktion durcheinander. Sie war lange und mit großem Arbeitsaufwand vorbereitet. Wir wollten viel mehr Bilder machen, doch dann passierte der Mord im Tennisclub, und wir mußten Hals über Kopf aus der Gegend verschwinden, um nicht in Verbindung gebracht zu werden mit dem Anschlag. Wir haben sogar unsere kostbare Vogelattrappe verloren.«
Für Frank Golombek war diese Version absolut glaubwürdig. »Mich hatten sie auch im Visier und sogar meine Tochter«, sagte er und erzählte von seiner Ankunft auf dem Frankfurter Flughafen, von der überraschenden
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